Die fünfte Jahreszeit

„Mama, ich kann heute keine Schuhe mit Schnürsenkeln anziehen, es ist Karneval.“ Ich schaue meinen Sohn verständnislos an. „Karneval ist erst im Februar, du willst mir doch nicht erzählen, dass ihr in der Schule heute schon feiert“, sage ich und halte ihm bestimmt die Winterschuhe unter die Nase.

Er zieht ein genervtes Gesicht und erzählt mir, dass seine Klassenkameraden heute um 11Uhr11 trotzdem feiern und ihm dann die Schnürsenkel durchschneiden würden. Während er in seine Sneakers schlüpft, fragt er mich: „Warum fängt Karneval eigentlich schon am 11.11. an, und wir feiern erst drei Monate später?“

Hm. Große Frage beim Schuhe anziehen. „Naja, die Karnevalszeit erzählt halt etwas über das ganze Menschsein. Wie wir sind und was wir durchmachen müssen. Dasfür braucht man Zeit,“ versuche ich zu erklären. „Sie beinhaltet viele Stationen, wie zum Beispiel die Jahreszeitenwechsel oder die Adventszeit bis zum Weihnachtsfest. Und nach all diesen freudigen und ernsten Stationen gibt’s am Ende die großen Umzüge und Feiern. Aber das kennst du ja: sechs Tage, in denen man alles mal nicht so ernst nimmt.“ Mein Sohn fasst zusammen: „Im Klartext heißt das also, dass ich am 11.11. mal kurz gucken darf, was ich nach drei Monaten harter Arbeit als Belohnung kriege?“ So fragt er skeptisch. Ich muss lachen und sage: „Ja, so ungefähr.“ Er zieht sich die Jacke an und murmelt auf dem Weg zur Tür noch: „Wenigstens gibt’s dann auch Schulfrei.“

Sprecherin: Alexa Christ