Wartezimmerbegegnungen

Glück gehabt im Wartezimmer: Da sitzt nur eine Mutter mit Sohn. Wird also nicht lange dauern. Ich nehm also Platz, als schon wieder die Tür aufgeht. Eine Frau schiebt einen Mann im Rollstuhl hinein.

Der Mann ist behindert und wohl spastisch gelähmt. Seine Arme zucken und sein Blick huscht hin und her. Er grüßt, spricht aber so undeutlich, dass ich ihn kaum verstehen kann.

Ich bin ganz ehrlich: Ich mach mir in so einem Moment Stress. Ich möchte „richtig“ reagieren auf den Mann, ganz locker und normal bleiben, auf keinen Fall starren oder falsch gucken.

Dem kleinen Jungen ist der behinderte Mann unheimlich und er reagiert ganz offen: Er weint. Da schaut der Mann ihn an und sagt: „Aber du musst keine Angst haben, der Doktor macht bestimmt nix schlimmes, der ist ganz nett.“ Das sagt er mühsam, denn das Sprechen fällt ihm ja schwer. Mein Mitwartender im Rollstuhl hatte scheinbar nicht bemerkt, dass sich der Junge vor ihm fürchtet. Er hat nur wahrgenommen, dass es dem Kleinen nicht gut geht, dass der Angst hat. Der Mann wollte ihn trösten.

Diese Szene berührt mich. Und vielleicht hat der Mann im Rolli ja doch gemerkt, dass der Junge Angst vor ihm hat und er wollte ihm einfach sagen, dass alles ok ist. Derjenige, der von uns im Raum vielleicht am hilflosesten war, hatte helfen wollen, als der Junge geweint hat. Und ganz nebenbei hat er auch mich ermutigt, selbstverständlicher auf seine Behinderung zu reagieren, nämlich ganz normal. Als ich rausgehe sage ich: „Schönen Tag noch.“ Er antwortet. Wieder sind die Worte schwer zu verstehen, aber dass er lächelt, das sehe ich deutlich.

Cornelia Schroers

Viersen