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Kirche in 1Live | 12.11.2015 | floatend Uhr
Menschwerdung
Letzten Donnerstag hat er wieder bei mir geklingelt.
Donnerstags fährt Gott nämlich immer in die Stadt zum Einkaufen.
Und dann macht er einen Zwischenstopp. Wir trinken eine Tasse Kaffee und reden über ihn, mich und die Welt. „Freust du dich eigentlich überhaupt noch auf Weihnachten“, frage ich ihn, als er sich auf die Küchenbank setzt. „Ja, natürlich“, sagt er, „wieso fragst du?“
„Na ja, wir haben gerade mal November. Aber draußen in den Geschäften tobt schon überall der Weihnachtsterror. Dieser ganze Geschenke- und Luxuskram hat doch nichts mehr mit dem Wesentlichen zu tun. Also mit deiner Menschwerdung.“
„Oh“, antwortet Gott nachdenklich, „wenn es dir hilft, helfe ich dir gerne beim Ausmisten.“
„Wie jetzt“, frage ich platt. Ich hatte nämlich nicht begriffen.
„Dein Fernseher, deine Spielekonsole, dein Handy, dein Motorrad ... Mir fällt bestimmt noch mehr ein. Alles Luxuskram, wie du es nennst, der dich nur vom Wesentlichen ablenkt.
„Ja, also ... ich meine“, stottere ich verdutzt und sage dann nichts mehr.
„Sieh es mal so“, sagt Gott, „ganz besonders an Weihnachten bemühen sich alle, wirklich Mensch zu werden. Sich gegenseitig eine Freude zu machen. Und das finde ich sehr wesentlich. Ich glaube sogar, dass man mit der Menschwerdung gar nicht früh genug anfangen kann. Und wenn dann – neben all den Geschenkfreuden – immer noch ein Plätzchen für mich da ist, dann bin ich richtig glücklich. Bei dir auf der Küchenbank ist es jedenfalls immer schön.“ Er lächelt, nimmt sich ein Plätzchen aus der Keksdose und trinkt seinen Kaffee.
Sprecherin: Alexa Christ
