Gebete auf Knopfdruck

Die Tür knarrt, kaum einer da. Gut, dass nicht so viel los ist, denke ich mir und husche in die Seitenkapelle. Für das was ich vorhabe, will ich kein Publikum. Eigentlich will ich hier in der Kirche einfach nur eine Kerze anzünden. Das mache ich meistens dann, wenn jemand, den ich kenne gerade echt in Schwierigkeiten ist, ich aber eigentlich nix tun kann. So ist das auch jetzt. Eine Freundin hat ihr Kind viel zu früh bekommen. Ich bin weit weg und kann eigentlich nichts für sie machen. Außer: Eine Kerze anzünden.

Aber was ich in dieser Kirche für Kerzen finde, überrascht mich: Keine echten aus Wachs, sondern: Glühbirnen. Sogar mit Flackereffekt! Einen Moment lang bin ich irritiert, ja sogar ein bisschen wütend: Ist doch echt geschmacklos, an so einem Ort, an dem Leute beten wollen, einfach nur ein paar Knöpfchen zu installieren statt richtiger Kerzen. Das nimmt dem Kerzenanzünden die ganze Atmosphäre weg.

Aber ich stehe hier nicht, weil ich glaube, dass Gott bei allen Kerzen jetzt genau drauf achtet, ob die echt sind, und nur dann die entsprechende Bitte erhört. Ich glaube nicht, dass Gebete so funktionieren. Ich vermute sogar, dass Gott ziemlich egal ist, ob ich überhaupt eine Kerze anzünde oder nicht. Aber sie ist für mich ein kleines Ritual in Situationen, in denen ich mich hilflos fühle. Es hilft mir, da etwas zu tun, wo ich eigentlich nichts tun kann und Gott anzuvertrauen, dass das ein ziemlich mieses Gefühl ist. Und wenn es sein muss, mach ich das auch auf Knopfdruck.

Christian Schröder, Aachen

Copyright Vorschaubild: Kerzen Martin Fisch CCBY-SA 2.0 flickr