Der nette Nazi

Markus ist damals in meiner Schule ziemlich aufgefallen. In Geschichte hat er zwei Reihen vor mir gesessen. Ein Kerl wie ein Schrank, Springerstiefel und schon mit 18 voll tätowiert mit ziemlich eindeutigen Symbolen: Markus war ein Nazi - und er ist es bis heute. An der Schule war das kein großes Geheimnis auch wenn er sich im Geschichtsunterricht auffällig zurückgehalten hat, als es um den Nationalsozialismus ging. Er hat Musik in Nazibands gemacht. Er hat ziemlich deutlich gesagt, dass er Türken scheisse findet und hat es komischerweise hingekriegt, dass ihn trotzdem alle für einen im Grunde ganz netten Kerl gehalten haben.

Damals hab ich gedacht, Typen wie Markus sind ne aussterbende Art. Ich hab gedacht: Kein Mensch, der einigermaßen klar denken kann, wird in Zukunft noch mit Nazis sympathisieren - ausgerechnet in Deutschland. Heute weiß ich, dass das ziemlich naiv war. Überall gewinnen Parteien, die ihr eigenes Land über andere stellen - und so tun, als wäre das gar keine rechtsextreme Einstellung. Wir haben damals in Geschichte gelernt, dass es nicht die 100%-Nazis waren, die Rassismus zu einer Massenbewegung gemacht haben. Sondern die vielen, vielen ganz normalen Leute, die gesagt haben: „Eigentlich haben die ja recht“.

Heute ist der 27. Januar. Das ist jedes Jahr der Gedenktag für die Millionen von Menschen, die Opfer der Nazis geworden sind. Wir dürfen nicht aufhören, an sie zu erinnern. Nicht so lange es immer noch Nazis gibt. Und erst recht nicht, wenn man die nicht mehr so leicht erkennt wie Markus.

Christian Schröder, Aachen

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