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Kirche in 1Live | 03.01.2014 | floatend Uhr
Der Verdacht
Und dann war mein Portemonnaie geklaut. Wahnsinn, wie schnell das gehen kann. An der Haltestelle, mit Geld, Scheckkarten, Autopapieren, Versichertenkarte, Perso, Führerschein…Alles weg. Ich sofort Karten gesperrt, Straße abgesucht, nix gefunden, der Tag versaut.
Um vier dann ein Anruf: Portemonnaie im Park um die Ecke gefunden, in einem Mülleimer, Geld weg, Karten noch alle drin. Ich gleich hin, und jetzt kommt’s: der Finder war kein spießiger älterer Herr mit Hut, sondern ein nicht sehr gesund dreinblickender junger Kerl mit rot unterlaufenen Augen in einer unwirtlichen Gegend, wo ich nachts nicht langgehen möchte. Ganz offen: so stelle ich mir einen Junkie auf Entzug vor. Mein neugieriger Blick fällt in eine dunkle, enge Wohnung mit Spül und Unordnung. Mir kommt sofort der Verdacht, vielleicht ist der Finder auch der Täter, oder ich hab’s doch verloren und er hat sich bedient und hofft jetzt auch noch auf Finderlohn, will auch noch doppelt abkassieren, der Bursche…
Wow! Jetzt noch mal nur die Fakten:
Erstens: Mein Portemonnaie war weg und es hätte mich Tage und Wochen und viel Geld gekostet, all die Papiere neu zu besorgen.
Zweitens: Wenn ich besser drauf aufgepasst hätte, wäre das nicht passiert.
Drittens: Vor mir steht jemand, der es mir zurückgibt, außer 20 Euro und ein paar Cent fehlt nichts.
Und dann ärgere ich mich. Ich bin entrüstet. Nicht darüber, dass ich das Portemonnaie verloren habe. Sondern ich ärgere mich mal mächtig über mich: dass ich den Finder so mir nichts dir nichts abgestempelt habe. Das Gute kommt nämlich nicht immer als netter Opa mit Hut oder als gute Fee. Das Gute kann auch mit zittrigen Händen und unterlaufenen Augen kommen und es liegt allein an mir, ob ich das erkenne.
Florian Sobetzko, Aachen.
