Wort statt Bild

Früher war mehr Bild. Wenn ich früher eine Postkarte für eine Freundin gesucht hab, dann hatte ich die Wahl: schöne Landschaften oder nette Tiere oder Blumenwiesen. Heute steht auf gefühlt mindestens der Hälfte der Postkarten irgendein Spruch, manchmal auch nur ein Wort. „Der frühe Vogel kann mich mal“ oder „Don’t forget to hüpf“. Und das nicht nur auf Postkarten. Auch auf Shirts nehmen die Worte deutlich zu: Love is where we are“ hängt da neben der „Super-Mum“.

Erstaunlich eigentlich. Meistens heißt es ja, dass Bilder die Worte verdrängen, lieber Film als Buch, lieber Emoticons statt langer Erklärungen in der sms. Anscheinend gibt es aber irgendwie doch den Wunsch, sich solche Sinnsprüche an den Kühlschrank zu hängen oder sich auf dem Sweatshirt ein Motto zu geben: Denn wenn ich etwa so ein „Yeah!“ auf mir herumtrage, dann gibt mir das ja für den ganzen Tag auch ein bestimmtes Gefühl.

„Unter diesem Wort steht dann mein Tag“, das hat meine Oma auch immer gesagt, nur dass sie natürlich kein Motto-Shirt angezogen hat. Ihr Sinn-Spruch war die Losung für den Tag. Also ein einzelner kurzer Satz aus der Bibel, der für jeden Tag ausgelost wird. Zum Drüber-Nachdenken, manchmal auch um sich daran zu reiben. Die Losung für heute ist zum Beispiel was zum Einkuscheln, besonders für alle, bei denen es nicht so läuft: „Unter dem Schatten deiner Flügel habe ich Zuflucht, bis das Unglück vorübergehe.“ Ich find, so schön könnte das ein Smiley gar nicht sagen.

Sprecherin: Alexa Christ