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Kirche in 1Live | 28.12.2018 | floatend Uhr
Dichtermiete
Die Schreibmaschine klackt laut. Lewis Parker hackt kurze Sätze darauf. Immer wieder. Ja, auf seiner Schreibmaschine. Ziemlich old-school. Aber Lewis Parker braucht sie. Er ist ein „Poet for hire“, ein Dichter zum Mieten. Du findest ihn in London am Flussufer, wo viele Touristen langspazieren. Da sitzt er. Auf einem kleinen Tisch: nur seine Schreibmaschine. Und wenn Du willst, schreibt er Dir ein Gedicht. Sofort und direkt zum Mitnehmen. Deswegen die Schreibmaschine. Er braucht nur ein Stichwort, zu dem sein Kunde ein Gedicht haben will. Der entscheidet dann auch, ob und wieviel er dafür bezahlt.
Mein Beruf als Seelsorger ist manchmal ganz ähnlich. Da muss ich auch oft spontan Worte finden, die dem anderen gerade fehlen. Weil jemand vor Freude, Trauer, Hoffnung oder Angst gerade selber nicht ausdrücken kann, was er empfindet. Ob der andere meine Worte dann schön und passend oder flach und nichtssagend findet, das hängt manchmal an Kleinigkeiten. Wenn Du versuchst, was Wertvolles zu sagen, dann ist das immer riskant. Das gilt für Lewis Parker bestimmt auch. Er sucht nach Worten und riskiert, dass die Leute sein Gedicht nicht bezahlen und in den nächsten Mülleimer werfen. Aber auch seine Kunden riskieren was. Ein bisschen Zeit und Vertrauen, dass der andere mir was Wertvolles zu sagen hat. Bei Lewis Parker würde ich’s riskieren. Weil ich finde: Die wichtigsten Sätze im Leben kann man sich nicht selber sagen.
Christian Schröder, Aachen
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