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Kirche in 1Live | 09.05.2019 | floatend Uhr
Präsentismus
Ich treffe Clemens
im Bus. Er ist sieht krank aus. “Aber wenn ich nicht zur Arbeit geh’, bekomm’
mein Projekt nicht fertig.“
Er schleppt sich
also lieber mit Fieber und Triefnase zur Arbeit. “Was soll ich auch machen?”
fragt er. “Wenn ich nicht hingehe, dann müssen andere das übernehmen.
Vielleicht verliere ich auch meinen Job oder werde nicht mehr befördert.”
Vor kurzem hab ich eine
Statistik gesehen: Zwei Drittel der Angestellten in Deutschland schleppen sich
wie Clemens krank zur Arbeit. Sie nehmen in Kauf, entweder so richtig krank zu
werden - oder jemanden anzustecken. Der Druck ist enorm - gerade dort, wo viel
mit Menschen gearbeitet wird.
Ich frage mich: Wieviel wird davon wirklich von “der Gesellschaft” so “verlangt” und wie viele Chefs sind wirklich so kaltherzig, dass ihre Angestellten nicht krank werden dürfen?!
Ich ermutige Clemens, das Gespräch zu suchen. Ich sehe ihm an, dass er das für eine doofe Idee hält. “Mal gucken” sagt er noch und steigt aus dem Bus.
Ich bleibe zurück
und hoffe, dass das für ihn heute irgendwie gut geht.
Zwei Stunden später bekomme ich eine Nachricht von Clemens. “Bin jetzt zu Hause. Tee, Bett und Körnerkissen. Du hattest recht. Sie hatten Verständnis: Wir haben kurz überlegt, was vom Team übernommen werden und was liegen bleiben kann. Und dann haben sie mich nach Hause geschickt. Gott sei Dank.”
Sprecherin: Alexa Christ