Glück gehabt

Mit meiner Cousine hab ich seit Jahren keinen Kontakt. Vor kurzem habe ich ihr wieder geschrieben. Der Anlass war tragisch. Ich wusste, dass ihre Mutter, meine Tante also, mitten in einer Stadt wohnt, die besonders von der Flutkatastrophe betroffen war. Ich wollte wissen, ob es meiner Tante gut geht. Sie selbst konnte ich nicht erreichen. Es hat sich rausgestellt, dass es ganz schön knapp war. All ihre Sachen sind hin, sie selbst kam aber noch rechtzeitig aus der schon vollaufenden Wohnung raus. „Ich danke Gott, dass Mama noch lebt“ schreibt meine Cousine. Ich habe nicht in Erinnerung, dass sie besonders gläubig ist. Aber das spielt in so einer Situation vielleicht auch keine so große Rolle.

Und trotzdem bohrt sich eine Frage in meinen Kopf. Wie ist das bei den Angehörigen der Nachbarn meiner Tante, die es vielleicht nicht rechtzeitig aus den Fluten geschafft haben. Rufen sie ihre Trauer und ihre Wut auch Gott entgegen so wie meine Cousine ihren Dank? Wie geht das zusammen, dass hier die eine Gott für Rettung dankt und nebenan jemand anders es eben nicht geschafft hat? Auf diese Fragen hab ich auch keine Antwort, obwohl ich gläubig bin. Aber für mich ist es so, dass ich tatsächlich alles bei Gott ablade. Meine Dankbarkeit und Erleichterung genauso wie meine Trauer und meine Wut. Und dann hoffe ich, dass das bei Gott gut aufgehoben ist. Besonders dann, wenn meine eigene Kraft nicht für mehr reicht.

Christian Schröder, Aachen