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Kirche in 1Live | 10.11.2021 | floatend Uhr
Wenn ich schwach bin, bin ich stark
Eigentlich sollte ich Philipp heißen. Hat meine Mutter mir mal gesagt. Weil ich im Bauch so gezappelt hatte. Nun, ich bin ein „Klaus“ geworden, aber: Ich bin noch immer ein Zappler. Und dass ich immer mehrere Dinge gleichzeitig im Kopf habe, wie ein Jongleur die Bälle in der Luft; dass ich ständig unter Strom stehe und schnell reizbar bin – das alles habe ich natürlich auch an mir mitbekommen.
Aber, dass das alles Teil ist von einem Syndrom ist – über das ich bislang nur bei anderen Witz gemacht habe – dass ich das also selbst habe – dafür hat es 42 Jahre gebraucht, bis ich das erkannt habe. ADHS heißt das Syndrom. „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung“ heißt das genau. Und ich habe jetzt erfahren: Das kommt gar nicht so selten vor. Und gerade Erwachsene wissen oft gar nicht, dass sie ADHS haben. Und das macht das Leben an manchen Stellen enorm schwer, so wie auch bei mir. Ich hatte Glück, dass ich einen Therapeuten gefunden habe, der da mal genauer hingeschaut hat.
Und das ist gut – mich selbst so einmal zu sehen, wie in einem Spiegel, der nicht mehr ganz vernebelt ist. Vernebelt mit Ansprüchen an mich, die ich wahrscheinlich nie ganz erfüllen kann. Schäme ich mich dafür? Nein.
Als ich die Diagnose bekommen hatte, da war das natürlich ein Tag mit Aufs und Abs. Und dann ist mir Paulus eingefallen. Genau, der Apostel. Der war quasi der ADHS-ler in der Bibel – immer unter Strom, immer wo anders. Und der hat mal geschrieben: „Ich bin mit meinen Schwächen, Entbehrungen, Schwierigkeiten, (...) versöhnt. Denn wenn ich schwach bin, bin ich stark.“ (2 Kor 12,10). Mir hilft die Sicht von Paulus sehr, mich so anzunehmen wie ich bin – und das Beste draus zu machen.
Klaus Nelißen, Köln.
