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Kirche in 1Live | 19.07.2022 | floatend Uhr
"Nur" eine Frau
Ich hab vor kurzem den Film „Nur eine Frau“ angeguckt. So ein krasser Film. Von der ersten bis zur letzten Minute war ich schockiert und fassungslos. Am Anfang spricht eine Frauenstimme. Verschiedene Frauen, die durch Berlin laufen, werden gezeigt. Mit oder ohne Kopftuch. Schwarz oder weiß. Lange oder kurze Haare. Und bei jeder Frau sagt die Stimme „das könnte ich sein“. Sie ist aber keine davon. Sie ist die Frau, die in einem Leichensack an der Straße liegt. Um sie herum ist alles abgesperrt und hunderte Reporter reißen sich um ein Foto des Tatorts. Sie, Aynur, ist die junge türkisch-kurdische Frau, die im Februar 2005 den Ehrenmord durch ihren Bruder erlegen ist.
Einfach nur krass. Der Film zeigt die Geschichte von Aynur. Wie sie lebte. Was in ihrer Familie abging. Und wie sie, in den Augen ihrer Familie, ihre Ehre verloren hat.
Mich schüttelt es schon allein zu sagen: „seine Ehre
verlieren“.
Ehre ist für mich ein leeres
Wort. Ich kann das wirklich mit nichts füllen, was Sinn macht. Vielleicht fällt
es mir deshalb auch so schwer, auch nur zu erahnen, wie eine Familie die eigene
Tochter, Schwester oder Ehefrau ermorden kann. Wegen der Ehre.
Aynur war eine junge Frau, die für ihre Unabhängigkeit gekämpft hat. Sie ist super mutig ihren eigenen Weg gegangen. Und obwohl sie wusste, dass ihre Eltern und Brüder absolut gegen dieses Leben waren, hat sie immer wieder versucht Teil der Familie zu sein.
Und darum finde ich den Film so krass. Weil genau diese mutige Geschichte keiner kennt. Weil die Presse nur ihren Leichensack gezeigt hat und es von Anfang an nur um die Täter und um Ehre ging. Aber darum geht es nicht. Es geht um eine Frau, die so mutig war, dass sie bis zum Tod gekämpft hat.
Julia Fischer
Köln