Verantwortung ergreifen

Regelmäßig komme ich in die gleiche Situation: Ein bedürftiger Mensch bettelt mich um n paar Euros an. Meistens schüttle ich dann nur den Kopf, nuschel noch fix ‘n „Sorry“ aus dem Mundwinkel und geh dann schnell weiter.

Ich beruhige mich dann immer direkt selber: „Es gibt für diese Menschen ja Einrichtungen, wo sie hingehen können, um was zu essen zu kriegen. Weiß ja gar nicht, was die mit meinem Geld machen und wo das landet.“

Ich schiebe die Verantwortung dann gerne weg – wird sich schon wer kümmern.

Ich find’s auch nach wie vor schwierig: Wann bin ich verantwortlich und wann auch nicht?

Klar, nicht alles, was in der Welt scheiße läuft, ist direkt auch meine Baustelle. Mit diesem Druck jeden Morgen aufzustehen, schafft kein Mensch. Da muss ich selber schon klar haben: Wo schaff ich es, mitanzupacken und wo überfordere ich mich?

Aber wenn ich wirklich irgendwo helfen und was verändern will, dann darf ich es mir auch mal ein bisschen unbequemer machen. Nicht erst drauf warten, bis mir jemand die Verantwortung feierlich übertragt und sagt „So, hier darfst du jetzt wirken“.

Nee – manchmal muss ich die Verantwortung auch ergreifen. Mir selber geben.

Wenn da jetzt also jemand Geld für Essen haben will: Dann kann ich ja mal nachfragen.

Ich hab mal am Hamburger Hbf einen Rollstuhlfahrer 20 Minuten durch die Gegend bis zum nächsten Rewe geschoben, weil der Hunger hatte. Als wir da waren, wollte der doch nur ne Flasche Wodka. Ja, scheiße – hab ich dann nicht gemacht. Konnt‘ er auch verstehen.

Aber in diesen 20 Minuten hab ich mich für ihn verantwortlich gefühlt. Und es ist nicht ganz so glatt gelaufen, wie erhofft.

Aber je öfter wir das machen, desto öfter klappt’s vielleicht auch mal.

Simon Deregowski, Köln.