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Kirche in 1Live | 03.03.2023 | floatend Uhr
„Radtour zum Friedhof“
Ein Lastenfahrrad mit einem Sarg vorne drauf. Das Ding wird von einem Mann durch die Stadt gefahren. Und die Leute stehen, staunen, grinsen, schütteln den Kopf. Der Fahrer ist Michael Olsen, ein Künstler aus Oldenburg. Er hat dieses Bestattungsrad gebaut. Für ihn ist klar: der Tod gehört ins Leben und damit auch in die Öffentlichkeit – also auch aufs Rad. (Michael Olsen erträgt es nur schwer, wenn schwarze Autos mit zugezogenen Gardinen an ihm vorbeifahren, und er weiß, darin liegt ein verstorbener Mensch.) Der Tod muss -wieder- selbstverständlicher werden. Außerdem schont ein Sarg-Rad die Umwelt.
Das Kunstprojekt hat Wellen geschlagen und inzwischen gibt es das öfter: mit dem Fahrrad zur eigenen Beerdigung. In Dänemark, in der Schweiz, aber auch bei uns in Deutschland bieten immer mehr Bestattungsunternehmen den Transport per Fahrrad an. Natürlich für Sarg und Urne.
Ich hoffe, dass es noch weit weg ist, aber ich kann mir das
für mich auch gut vorstellen. Ich radle viel und das würde passen. Am besten
fände ich es, wenn auch die Leute mit dem Rad zu meiner Beerdigung kommen. Dann
machen wir alle zusammen meine letzte Radtour zum Friedhof.
Leider wird das bei uns noch nicht angeboten. Aber wer weiß, vielleicht kommt
es bis dahin. Wie auch immer, das Sarg-Rad zeigt: Leben und Tod gehören
zusammen. Beides ist alltäglich. Beides findet statt. Und beides kann ich
gestalten, wie es zu mir passt. Den Tod natürlich nur begrenzt. Aber ich kann
mir überlegen, wie ich es rund um meine Beerdigung gerne hätte. Und dass ich hin
und wieder daran denke, dass ich nicht ewig hier auf Erden bin, das schadet
nicht.
Johanna Vering, Langenberg