Beiträge auf: einslive
katholisch
Kirche in 1Live | 15.09.2023 | floatend Uhr
Rechts im Freibad
Ich schäme mich noch immer, weil ich den Mund
gehalten habe. Die Situation: Sommer, Freibad, Liegewiese, unfreiwillig das
Gespräch auf dem Nachbarhandtuch mitbekommen. Es geht um Fußball. Die beiden
sind Typ „alter, weißer Mann“: „Die ganzen guten Spieler wandern doch ins
Ausland ab und hier ist keiner mehr, der was taugt.“, klagt der eine. „Ja“,
sagt sein Nachbar, „und beim Nachwuchs werden die Ausländer gefördert und
unsere Jungs bleiben auf der Strecke. Deshalb geht es mit dem deutschen Fußball
bergab.“ An der Stelle muss ich würgen und schäme mich bis heute, dass ich
nicht rübergegangen bin und ihnen meine Meinung gesagt habe. Dass ich es
schlimm genug finde, dass Leute so wie sie denken, aber es nicht auch noch
hören will. Vielleicht war es ihnen gar nicht bewusst, vielleicht lagen sie
auch einfach nur zu lang in der Sonne – aber das macht es alles nicht besser.
Vor allem nicht mein Verhalten. Denn wenn so ein „die kriegen alles und wir
nichts“-Gerede mitten auf der Liegewiese in entspannter Atmosphäre einfach mal
unwidersprochen losgelassen werden kann, dann breitet dieser toxische
Gedankenmüll sich immer weiter aus. Am Ende bleiben Engstirnigkeit, Ausgrenzung
und Ablehnung von allen, die irgendwie anders aussehen, herkommen, sprechen,
denken oder fühlen. Es sind die kleinen Gedanken und kurzen Gespräche, die sich
festsaugen wie eine Zecke und ihr Gift verbreiten. Offenheit und Toleranz, das
sind meine Werte und es passiert mir kein zweites Mal mehr, dass ich den Mund
halte, statt sie zu verteidigen.
Martin Kürble, Düsseldorf