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Kirche in 1Live | 09.11.2023 | floatend Uhr
Scham
Ich werde oft gefragt, woran wir denn erkennen können, ob jemand sexualisierte Gewalt erlebt hat, ob es da nicht ne Liste mit Merkmalen gibt. Nee, die gibt’s nicht. Es gibt vielleicht den einen oder anderen Hinweis, aber die sind immer ganz individuell.
Und selbst wenn es eine Übersicht geben würde – die Betroffenen von sexualisierter Gewalt würden alles daran setzen, genau diese Merkmale nicht nach außen zu zeigen. Vielleicht sogar genau das Gegenteil tun, von dem, was dort steht. Wenn dort zum Beispiel „ruhig und still werden und sich zurück ziehen“ stehen würde, dann würden sie vielleicht besonders laut und extrovertiert werden.
Und warum ist das so? Weil sich viele Betroffene schämen, für das, was Ihnen passiert ist. Weil sie vom Täter oder der Täterin gehört haben, sie seien ja selber Schuld. Sie hätten sich nicht gewehrt oder hätten ja nicht STOP gesagt.
Und das ist so so falsch. Niemand ist selber Schuld an der Tatsache, dass er oder sie sexuell missbraucht worden ist. Niemand!
Und es tut mir wahnsinnig leid, dass sich Betroffene schämen. Sie brauchen Vieles, aber nicht die Angst, dass sie für immer als „Opfer“ abgestempelt sind - und ich weiß, der Begriff ist hier grad falsch, wir benutzen das Wort in der Prävention auch extra nicht, sondern sprechen immer von Betroffenen. Damit die Scham nicht siegt, brauchen Betroffene Menschen, die ihnen sagen:Ihr seid so viel mehr! Du bist so viel mehr!
Rike Bartmann, Münster