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katholisch
Kirche in 1Live | 12.03.2024 | floatend Uhr
Selig seid ihr
Selig
sind die Sanftmütigen, selig die Barmherzigen,… - Ich muss zugeben: Diese
Bibelsprüche konnte ich richtig lange nicht mehr hören. Ich bin katholisch
aufgewachsen, mit Firmung und Zeltlager und so. Und diese Bergpredigt von Jesus
mit den Seligpreisungen kam immer wieder vor. Und wie das manchmal so ist mit
Sachen, die man immer wieder hört: Mir hat’s ne Zeitlang echt gereicht. Allein
dieses Wort „selig“ – ich konnte nix damit anfangen. Vor drei Jahren stand dann
Alexei Nawalny in Moskau vor Gericht. Der Kreml-Kritiker, der vor zwei Wochen
gestorben ist, sagt da ausgerechnet das: „Selig sind die, die hungert und
dürstet nach Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.“ Das fand ich ziemlich
krass, unter anderem, weil ich Nawalny eigentlich als Atheisten verbucht hatte.
Krass fand ich aber vor allem was anderes: Ich hab nämlich gemerkt: Klar, dass
für mich diese Rede von Jesus nie wirklich was bedeutet hat. Ich bin so
privilegiert. Ich muss nicht hungern oder dürsten, weder nach Nahrung
noch nach Gerechtigkeit. Ich hab ein gutes Leben mit Demokratie und Meinungsfreiheit.
Aber Nawalny, der konnte das nachfühlen, diese Sehnsucht nach Gerechtigkeit. Er
hat gesagt, dass die Seligpreisungen ihm helfen, sich nicht allein zu fühlen im
Kampf gegen das russische Regime. Und ohne Witz: erst seit dieser
Nawalny-Situation vor drei Jahren, checke ich die Bergpredigt, glaube ich. Und
ich checke, dass wir Christ*innen dranbleiben müssen, an diesem Glauben an das
Gute und an dem Kampf für Gerechtigkeit. Auch bei uns in Deutschland weht der
politische Wind langsam schärfer. Ich finde, wir sollten unsere Privilegien
jetzt nutzen und den Mund aufmachen. Selig sind nämlich nicht die Bequemen und
die Mitläufer.
Ela Kornek, Münster