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katholisch
Kirche in 1Live | 08.06.2024 | floatend Uhr
Im Zug mit Frau Schulze
„Das Gesicht
kenne ich doch irgendwoher.“ Ich geh weiter zu meinem Platz im Zug.
Regionalexpress, 2. Klasse. In meinem Kopf rattert es, weil ich sehr sicher
bin, dass ich die blonde Frau, an der ich gerade vorbeigelaufen bin, schon mal
gesehen habe. Aber keine entfernte Bekannte oder so. Eher ein Promi. Vielleicht
Politikerin? Plötzlich macht es klick. Mit mir im Zug sitzt die
Bundesministerin für Entwicklung, Svenja Schulze, also ein Mitglied der
Bundesregierung. Ich google zur Sicherheit nochmal ein Foto von ihr und frage
mich dann, warum mich das eigentlich so überrascht. Warum soll Frau Schulze
denn nicht Regionalexpress fahren? Vielleicht hab ich bei Politikerreisen eben
doch eher Bilder von schwarzen Limousinen vor Augen. Vielleicht hab ich
gedacht, das geht nur mit Bodyguards und Presseteam? Manchmal kommt mir die Spitzenpolitik
eben doch ziemlich weit weg vom „normalen“ Leben vor. Dass das manchmal so
wirkt, liegt aber nicht nur an den Politiker*innen. Beleidigungen im Netz oder
Angriffe auf offener Straße sind kein Mittel, mit dem in einer Demokratie um
die beste Lösung gerungen wird. Wir müssen aufpassen, dass wir uns das nicht
kaputt machen lassen.
Morgen ist Europawahl. EU-Politik fühlt sich oft noch weiter weg an als die in Berlin. Trotzdem finde ich es wichtig, dass viele wählen gehen. Ich möchte weiterhin in einem Europa leben, in dem die Gewählten sich als echte Vertretung der Menschen verstehen. Und das geht nur, wenn sie keine Angst vor Beleidigung oder Gewalt haben müssen, wenn sie auf Leute treffen, die andere Meinungen haben als sie. Im Regionalexpress und überall.
Christian Schröder, Aachen