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Kirche in WDR 2 | 09.04.2014 | 05:55 Uhr
Löwenzahn
Es ist Frühling und daher sollten wir mal über den Löwenzahn reden. Den kennen Sie aus der gleichnamigen Kinderfernsehserie oder eher noch aus Ihrem Garten. Dem Löwenzahn ist etwas passiert, was vielleicht sinnbildlich ist für den Rückzug des Christlichen aus unserer Gesellschaft. Von etwas Hochgeschätztem wurde er zu einer lästigen Pflanze degradiert. Als wichtiger Symbolträger von Theologen und Künstlern geadelt, gilt er heute bloß als Unkraut, ja, hören Sie einfach weg, er wird auch als „Pissblümchen“ bezeichnet. Im Mittelalter dagegen war der Löwenzahn die „Lichtblume“, verbildlichte die Auferstehung Christi und verhieß den Menschen ewiges Leben.
Der Löwenzahn, lateinisch taraxum officinale, ist die Pflanze mit den meisten Volksnamen. Während der heutige Name von den gezackten Blättern abgeleitet wird, die den Zähnen des Löwen zu gleichen scheinen, verbanden ihn ältere Kulturkreise mit der Sonne. „Sonnenwirbel“ oder „Sonnenbraut“ hieß er darum im Mittelalter. Der Widerschein der Sonne im Löwenzahn und die Einvernahme des „sol invictus“, der aufgehenden Sonne, die als Gott verstanden und später auf die römischen Kaiser übertragen wurde, für Christus, machten den Löwenzahn zu einer bedeutenden Pflanze.
Die christliche Symbolik entfaltet der Löwenzahn sowohl in seinem biologischen Ablauf als auch in seinen einzelnen Bestandteilen: Die Metamorphose des Löwenzahns von den gelben Blütenblättern zur Federkugel (= Pusteblume) hat ihn zum Symbol für Licht und Leben und damit für Gott gemacht. Zugleich ist er Symbol für den auferstanden Christus: Die Umwandlung der abgestorbenen Blüte in die weiße, strahlende Federkugel ist die sichtbare Parallele zu Tod und Auferstehung Christi. Der auferstandene Christus wird in den Hymnen und Osterspielen auch als „leo fortis“, starker Löwe, am Kreuz beschrieben. Als „Osterpflanze“ gilt der Löwenzahn, weil er vorwiegend im April und Mai blüht.
Seine gelben Blüten bilden die Sonne nach und verweisen so auf die wahre Sonne: Christus. Bildhaft ist auch das Verhalten der Blüte, die sich immer der Sonne zuwendet und sich zum Sonnenlicht hin öffnet. Die Verwandlung der Blüte zur Federkugel versinnbildlicht die Auferstehung. Kinder bliesen als Orakel die Samen fort, um festzustellen, wie viele Jahre sie noch lebten. Lichter- oder Laterne ausblasen nennt man dies, was im Griechischen lautmalerisch „apopap-pousthai“ heißt. Der Fruchtstand oder Samenträger des Löwenzahns wird mit dem geschorenen Mönchskopf gleichgesetzt. Caput Monachi, Pfaffenblatt, Papenplatt oder Pfaffenrohr wurde dieses Teil darum genannt.
Die mittelalterliche Tafelmalerei zeigt den Löwenzahn vornehmlich bei Geburts- und Auferstehungsszenen. Die „Lichtblume“ symbolisiert Christus und die Auferstehung, weil der Löwenzahn stirbt, um wiedergeboren zu werden. Der Löwenzahn war die dem Betrachter in seiner Welt sicht- und greifbare Hoffnung auf die eigene Auferstehung.
Steckt also viel drin, in dieser kleinen Pflanze. Und wenn Ihnen in den kommenden Tagen ein Löwenzahn im gepflegten Rasen entgegenwächst, dann sehen Sie ihn doch mal nicht so sehr als lästiges Unkraut, sondern erfreuen Sie sich an diesem schönen Auferstehungssymbol.