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Kirche in WDR 2 | 07.05.2014 | 05:55 Uhr
„Grüß Gott“ und „Adieu“
„Grüß Gott“, meine verehrten Hörerinnen und Hörer. Man hört es wieder, wenn auch nicht oft und eher in katholischen Gegenden von NRW. Meist wird beim Aussprechen deutlich: der, der das sagt, verbindet damit bewusst eine Einstellung, eine innere Haltung. Ihm ist nicht egal, was er sagt, wenn er nämlich statt „Hallo“, „Guten Tag“ oder „Hey“ eben: „Grüß Gott“ sagt.
Die meisten derer, die z.B. „Grüß Gott“ sagen, sind keine nach NRW versprengten Bayern oder bei „Grüezi“ nicht integrierbare Schweizer. „Grüß Gott“ sagt man trotz-dem, wenn man auch die - zugegebenermaßen - etwas dämliche Rückantwort be-kommen kann: „Ja, ja, wenn Du ihn siehst.“ In den südlicheren Teilen Deutschlands mag das anders sein. Aber hier, zwischen Rhein und Weser verweist „Grüß Gott“ auf Menschen, die sich ihres Glaubens nicht schämen und ihn erkennbar mit in ihren Alltag nehmen.
Das war alles einmal ganz anders. „Grüß Gott“ ist im oberdeutschen Sprachraum -geprägt durch katholisch geprägte Länder, aber auch durch das evangelische Würt-temberg und Teile Frankens - die normale Begrüßung. In anderen deutschsprachi-gen Gebieten scheint dieser Gruß hinwegsäkularisiert worden zu sein. Sprachwis-senschaftler weisen darauf hin, „Grüß Gott“ verkürze den Gruß „Grüße dich Gott“; das ist also kein Befehl, sondern ein Wunsch. Das zeigt sich vor allem in parallelen Sprachformen wenn es beim Abschied heißt „Behüte dich Gott“ oder beim Niesen „Helfe dir Gott“ oder beim Dank „Vergelt’s Gott“.
Ist die Verwendung von „Grüß Gott“ im mittleren und nördlichen sowie östlichen Tei-len Deutschlands allmählich durch das Verdrängen des Religiösen aus dem Alltag immer anstößiger geworden, lässt sich die Verdrängung des „Adieu“ etwas genauer beschreiben. Der französische Abschiedsgruß hat seine Wurzel im Lateinischen „ad deum“ - zu Gott hin. Er findet sich auch in anderen romanischen Ländern: In Spanien als ¡Adios!, in Portugal als „Adeus“, in Italien als „Addio“. In Deutschland ist das „Adieu“, bis 1914 der häufigste Abschiedsgruß, der aufkommenden antifranzösischen Sprachpropaganda zum Opfer gefallen: „Fort mit dem welschen Gruß ,Adieu’! Wir grüßen deutsch ,Auf Wiedersehn!’“ Das norddeutsche „Tschüss“ oder das rheinische „Tschö“ verbergen das zugrunde liegende „Adieu“ so sehr, dass diese Dialektausdrücke nicht als religiöse gefärbt entsorgt wurden.
So wie in Österreich und Südbayern das „Servus“ beim Abschied fällt, gebrauchen Jugendliche - je südlicher in unserem Land, desto eher - das italienische „ciao“.
Vielleicht hat die eine oder der andere wieder Mut, gegen den Strom des Zeitgeistes zu schwimmen und eine althergebrachte Tradition aufzugreifen, sich erkennbar zu machen. In eben diesem Sinne sage ich Ihnen „Adieu“.