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Kirche in WDR 2 | 09.10.2014 | 05:55 Uhr
Ebola
Vermummte Menschen, Schutzkleidung alles riecht nach Angst...
Ungefähr das hat Lothar Wagner gesagt, als ich mit ihm vor ein paar Wochen telefoniert habe. Lothar Wagner ist Salesianerbruder, 40 Jahre alt und arbeitet seit sechs Jahren in Freetown in Sierra Leone. Dort setzt er sich für Kinder und Jugendliche ein und hat für sie eine Telefonhotline eingerichtet. Anonym erhalten sie per Telefon Tipps zu vielen Dingen des Lebens. Jetzt, so erzählte er, gibt es in Freetown nur noch ein Thema, eine Sorge... EBOLA.
Vor dem Interview hatte ich noch nie mit Bruder Wagner gesprochen. Wie soll ich das Telefoninterview beginnen, das ich im Rahmen meiner Arbeit im Hilfswerk mit ihm führe? Ich versuche sachlich und journalistisch an das Interview heranzugehen und merke schon nach der ersten Frage, das geht bei diesem Thema nicht. Was Bruder Lothar erzählt ist so anschaulich und berührt mich so sehr, dass ich mich auf einmal schäme. Das Thema Ebola dominiert schon seit Wochen die Nachrichten, und ich habe bisher hingehört - das ja - dann aber auch schnell wieder weggehört ... Schließlich gibt es aktuell so viele Baustellen auf der Welt: der Konflikt in der Ukraine, die Angst der Menschen vor dem Terror im Nahen und Mittleren Osten... usw. usw. Ich kann und will mich nicht mit all dem Elend auseinandersetzen!
Und dann mache ich es doch. Auf einmal bin ich mittendrin, verstehe die Sorgen die Bruder Lothar hat, bilde mir ein, die heiße und stickige Luft unter einer Atemmaske zu riechen.
Warum ist das so? – Sicherlich liegt das auch an der Person von Bruder Wagner. Aufgeklärt, geradeaus, unverschnörkelt, ehrlich, transparent und vertrauensvoll – so erlebe ich ihn während des Interviews. Ein echt toller Typ, denke ich, und dabei bleibt mir ein bisschen die innere Stimme weg.
Aber was mich wirklich umgehauen hat, ist die Tatsache, dass er jetzt zu Besuch in Deutschland war ... Zu Besuch... hier war er sicher vor der Bedrohung durch Ebola, aber sein Rückflugticket hatte er schon in der Tasche. Auf keinen Fall wollte er hierbleiben. Seinen Besuch in Deutschland hat er nur genutzt, um Gespräche zu führen, aber auch Spender für seine Arbeit in Sierra Leone zu gewinnen, sagt er. Ganz ehrlich, ich habe mich gefragt, woher er diesen Mut und die Kraft nimmt zurückzugehen. Und dann habe ich ihm die Frage einfach gestellt. Hier seine Antwort:
Bruder Lothar Wagner: „Ich bin schon sechs Jahre in Sierra Leone und habe hier natürlich Wurzeln geschlagen. Da ist es für mich ganz klar, dass ich da sein muss, wenn die Not am größten ist. Natürlich denke ich auch aus meinem Glauben. Das ist jetzt kein Rumgefrömmel, aber der Kreuzweg Jesu wird jeden Tag neu gegangen und da will ich mich natürlich auch gerne positionieren. Welche Rolle nehme ich ein? Bin ich derjenige, der ein Schweißtuch reicht, oder derjenige, der Christus hilft, das Kreuz zu tragen? Auf die aktuelle Situation bezogen heißt das: Wo bin ich heute, wenn Kinder leiden? Was tue ich? Es sind kleine Millisekunden, die ich immer wieder erlebe, Gotteserfahrungen, die ich gerne festhalten will. Diese Millisekunden geben mir auch die Kraft, gut zu arbeiten.“
Millisekunden zwischen vermummten Menschen, Schutzkleidung und Angst... Alles Gute Bruder Lothar!