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Kirche in WDR 2 | 02.12.2014 | 05:55 Uhr
Beflügelt
„Der traut sich was“ habe ich gedacht. Der Mann am Klavier stellt sich vor sein Publikum und sagt: „Jetzt werde ich improvisieren. Ich weiß nicht ob es funktioniert. Ich fange einfach mal an. Hören wir, wohin uns das führt.“ Ich habe ihm das abgenommen, dass er wirklich keinen Plan im Kopf hat, dass er selbst gespannt ist, was dabei herauskommt.
Seine Spannung hat uns nicht kalt gelassen. Wir fiebern mit. Das Konzert war bis jetzt ein voller Erfolg. Es gab tolle Musik, von Klassik bis Jazz. Alle Stücke sorgsam von großen Meistern komponiert und gefügt. Und jetzt dieses Experiment: Mal sehen, was kommt. Lassen wir uns überraschen. Der Mann am Klavier schließt die Augen und beginnt zu spielen.
Was mir Gänsehaut macht: Zwischendurch huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Ein bisschen so, als wäre der Mann am Klavier gerade selbst überrascht worden, von dem, was da an Musik durch den Raum geht.
Ist doch eigentlich verrückt, denke ich. Da sitzt ein Vollblutmusiker vor uns und wundert sich über das, was da entsteht. Er will sich beschenken lassen und das klappt. Für ihn und für uns. Am Ende: dankbare Stille. Sekunden vergehen bis zum Applaus, Gänsehautstimmung im ganzen Raum.
Die improvisierte Musik war bemerkenswert schön. Aber was mir viel mehr unter die Haut geht: Der Pianist hat sich getraut, seine Komfortzone zu verlassen. Raus aus dem „da weiß man, was man hat.“ Dieses „Mal sehen, wohin uns das führt“, das ist mir nahe gegangen. Dass da einer sitzt, der nach der Taube auf dem Dach Ausschau hält, weil ihm der Spatz in der Hand auf Dauer zu langweilig ist. Ich bin an diesem Abend nach Hause gegangen mit dem Gedanken: Jenseits meiner Komfortzone gibt es Gebiete, die erobert werden wollen. Da lauern Überraschungen auf mich, ich muss nur öfter runter von meiner inneren Couch.
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