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Kirche in WDR 2 | 18.12.2013 | 05:55 Uhr
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Babyklappe
Im Dunkel der Nacht schleicht eine Gestalt an der Mauer entlang, öffnet eine Klappe in der Hauswand, legt dort ein Bündel ab, verharrt einen Moment, schließt die Klappe wieder und verschwindet mit schnellen Schritten im Dunkeln.
Das Bündel ist ein neugeborener Junge. In ein Handtuch gehüllt liegt er dort und schläft. Die Babyklappe ist beheizt, der Kleine liegt auf einem weichen Lammfell. Ein Alarm wird ausgelöst und bald schon kommt eine junge Sozialarbeiterin und bringt das Baby erst mal ins Krankenhaus. Ein schwerer Start ins Leben. Doch der kleine Junge ist gesund und entwickelt sich gut.
Knapp 100 Babyklappen gibt es in Deutschland. Seit ihrer Einführung im Jahr 2000 wurden mehrere hundert Neugeborene anonym abgelegt. Eine Mutter, die sich dazu entscheidet, muss sehr verzweifelt sein. Sie hat die Schwangerschaft verdrängt, verheimlicht. Dann die Geburt: Allein, hilflos und voller Angst erträgt sie die Schmerzen. Das Baby kommt vielleicht in einem Badezimmer zur Welt, in einer Gartenlaube oder in einem Keller. Sie ist nicht vorbereitet, kann sich nicht um das Kind kümmern. Sie braucht selbst Hilfe.
Fast ein Drittel der Mütter, die ihren Säugling aus Not der Babyklappe anvertrauen, melden sich später bei den Behörden. Diese Kinder haben Glück: Sie haben die Chance zu erfahren, wer ihre Eltern sind. Jeder Mensch will wissen, woher er kommt. Spätestens als Teenager suchen wir nach unseren Wurzeln. Um zu verstehen, wer wir sind, wollen wir wissen, wer unsere Eltern sind.
Viele Kinder, die ihre Herkunft auf eine Babyklappe zurückführen, schauen sich diese später an. Manche legen sich sogar hinein. Denn ihre dokumentierte Geschichte beginnt hier.
Dabei wollen die Mütter meist nicht gegenüber dem Kind anonym bleiben. Sie wollen nur, dass sonst niemand davon erfährt. Deshalb glaube ich, dass die sogenannte „vertrauliche Geburt“, die bald auch in Deutschland möglich sein soll, eine gute Idee ist. Die Mutter bekommt ihr Kind in einem Krankenhaus. Ihre persönlichen Daten werden 16 Jahre lang in einem verschlossenen Umschlag aufbewahrt. Dann erst kann das Kind den Namen seiner Mutter erfahren. Aber vielleicht muss das Kind auch gar nicht so lange warten. Ich glaube schon, dass viele Frauen sich sofort für ihr Baby entscheiden würden, wenn sie bei der Geburt begleitet würden.
Auch Maria war nicht allein. Josef, ihr Verlobter, war bei ihr – obwohl der noch nicht mal der Vater ihres Kindes war. Maria hat auch viel durchgemacht. Gut, sie hat sich über die Schwangerschaft gefreut. Aber am Tag der Geburt lief auch erst mal alles schief. Jesus kam nicht in einer Gartenlaube zur Welt, sondern in einem Stall. Das ist auch nicht viel besser. Doch als sie ihren Erstgeborenen in den Armen hielt, war das alles nicht mehr wichtig. Ich kenne dieses Glücksgefühl, ich wünsche es jeder jungen Mutter. Es macht stark und mutig. Stark genug, das eigene Kind anzu-nehmen – auch nach einem holprigen Start ins Leben.