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Kirche in WDR 2 | 26.10.2016 | 05:55 Uhr
Begeisterung
Fasziniert beobachte ich fünf Jugendliche auf dem Kirchplatz in unserer Innenstadt. Still stehen sie vor dem großen Gebäude. Ihre Köpfe sind gesenkt, die Augen konzentriert auf ihre Hände gerichtet. Man könnte meinen, die drei Jungs und zwei Mädchen seien ins Gebet vertieft. Seit Wochen versammeln sich Kinder und Jugendliche vor Museen, Kirchen und Rathäusern. Diese Treffen haben allerdings nichts mit ihrem Bildungshunger zu tun. Nein, der Nachwuchs spielt das Spiel POKEMON GO.
Bei dem Spiel fangen die Spieler virtuelle Fantasiewesen, entwickeln sie weiter und kämpfen virtuell mit ihnen gegen andere. Die bunten, originellen Wesen finden sich überall. Mal hocken sie auf der Kaffeemaschine, dann entdeckt man sie in der Fußgängerzone oder sie verstecken sich unter einem Lastwagen, selbst auf der Zugspitze wurden sie schon gesichtet. Für Taubsi, Rattfratz, Evoli usw. überwinden die Jugendlichen Flüsse, erklimmen Dächer, wagen sich auf Klippen, erobern Museen und Kirchen. Vorbei ist das ewige Sitzen vor den Computer in den vier Wänden. Für eine Weiterentwicklung ihrer kleinen Taschenmonster nehmen die Spieler kilometerlange Fußmärsche auf sich.
Das Spiel hat sich wie ein Virus in der Welt verbreitet. Man kann von ihm halten was man will, aber es setzt die Pokemon-Fans in Bewegung. Die Begeisterung, mit der die Spieler versuchen, die Pokemons zu fangen, erinnert mich an die Begeisterung, die es zu Beginn des Christentums für die Sache Jesu gab. Klar, das war kein Spiel, sondern eine ernste Sache. Aber es brachte viele in Bewegung. Paulus war so ein Mann, der angesteckt vom „Jesus-Virus“ sich mit Leidenschaft auf den Weg gemacht hat, mitgerissen von den neuen Gedanken und sogar bereit dafür zu sterben. Er schrieb: „Das Einzige, was zählt, ist: Christus zu gewinnen.“ (Phil. 3, 7-11).
Für ihn war klar, der Glaube ist überall zu finden und Menschen, die man für die gute Sache gewinnen kann, auch. Allerdings: Dafür musste er sich in Bewegung setzen, raus aus dem geschützten Raum. Dies ist heute nicht anders, eigentlich war das immer so. Für die Dinge, die uns wirklich wichtig sind im Leben, müssen wir uns bewegen, uns engagieren. Und wenn wir von Etwas richtig begeistert sind, egal ob es dabei um Menschen, neue Ideen, ungewöhnliche Sportarten oder fremde Länder geht, bekennen wir Farbe. Wir sind voll davon und möchten andere ebenfalls in den Genuss der neuen Entdeckung bringen. Es gab Zeiten in der Geschichte des Christentums, da ist die Begeisterung ins Extreme gekippt. Da ging es plötzlich nicht mehr um die Sache Jesu, sondern um Macht. Das war für niemanden gut und hat viel Leid ausgelöst. Heute allerdings könnten wir wieder mehr zeigen von der Freude, die eine göttliche Beziehung in uns auslöst.
Das Spiel POKEMON GO wird irgendwann seine Wirkung verlieren. Die Botschaft, die Jesus unter die Menschen gebracht hat, besitzt eine unbegrenzte Laufzeit. Die Kernaussage der biblischen Botschaft passt immer, egal wohin die Welt sich entwickelt, aber dafür müssen wir vor die Tür und zeigen wie sich Nächstenliebe auswirkt, Neues ausprobieren und begeistert davon erzählen, woher wir unsere Kraft zum Leben nehmen.