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Kirche in WDR 2 | 12.12.2016 | 05:55 Uhr
Sehnsuchtsorte
Ich kenne jemanden, der in komplizierten und scheinbar ausweglosen Situationen sozusagen von sich selbst und seiner Situation Abstand nimmt. Er nimmt sich dann einfach einen Tag frei und fährt immer in dasselbe Ostfriesische Dorf, um sich dort für einige Stunden ganz allein ans Meer zu setzen und nachzudenken. Wenn er dann noch Zeit hat, isst er dort an immer derselben Fischbude noch ein Fischbrötchen und fährt dann offensichtlich mit klareren Gedanken wieder nach Hause.
Eigentlich ziemlich unsinnig und auch nicht wirklich ökologisch. Mehrere Stunden Anfahrt für eine kurze Zeit an immer demselben Ort und das nur, um dort mit sich selbst und einem Fischbrötchen ganz allein zu sein. Ich selbst kenne eine Kleine Kapelle mitten im Wald, die ich mindestens ein- bis zweimal im Jahr besuchen muss. Ich verspüre dann regelrecht ein Bedürfnis, genau diesen Ort und keinen anderen aufsuchen zu müssen. Ich könnte genauso in unsere Dorfkirche gehen, aber nein, ich brauche nur diesen einen Ort.
Ich bezeichne solche Orte als Sehnsuchtsorte. Sehsuchtsorte hat wohl irgendwie jeder. Manchmal sind sie mit dem Geruch von frischgebackenem Obstkuchen verbunden und finden am wachstuchgedeckten Tisch der eigenen Oma statt.
Für manchen können Sehnsuchtsorte auch vor einem Gemälde oder in einem Konzert sein. An einem solchen Ort, will ich nicht nur bleiben, ich will auch, dass die Zeit stehen bleibt.
So sollte es immer sein und so kann es bleiben, denke ich mir dann in einem solchen Moment. An Sehnsuchtsorten fühlt man sich himmlisch und eins mit sich selbst. Für mich ist das ein spirituelles und religiöses Gefühl, denn das ist genau die Geborgenheit und das Gefühl, das mir manchmal mein Glauben schenkt. Sehnsuchtsorte: es lohnt sich, sie zu suchen und erst Recht, sie zu finden.
