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Kirche in WDR 2 | 13.02.2017 | 05:55 Uhr

Abends keine Nachrichten mehr

Zitat: „Ich lese abends keine Briefe mehr.“ Philipp Melanchthon

„Guten Morgen“, sagte mein Radiowecker. „Aufwachen! Mutig ‘rein in den Tag!“

Wenn ich nicht immer so schnell kalte Füße kriegen würde, hätte ich mir jetzt die Decke über den Kopf gezogen. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist, aber mein Wecker nimmt überhaupt keine Rücksicht auf Müdigkeit oder Tagesform. Auch diesmal ließ er mir nur eine kurze Atempause, bevor er loslegte:

„He, du reagierst ja gar nicht. Los, aufwachen! Vor dir liegt ein Tag voller ungenutzter Möglichkeiten!“

„Mag sein“, brummte ich. „Aber hinter mir liegt auch eine Nacht voller ungenutzter Möglichkeiten. Soll heißen: Ich hab‘ schlecht geschlafen, Mann!“

„Das tut mir leid. Was ist denn los? Hast du was Falsches gegessen?“

„Nein, das nicht. Aber ich hab‘ gestern Abend vor dem Schlafengehen noch schnell die Mails und Nachrichten auf meinem Handy gecheckt.“

„Und? Gab’s was Neues?“

„Mehr, als mir lieb war. Ich hab‘ nämlich letzte Woche den Vorsitz in unserem Flüchtlingsnetzwerk übernommen.“

„Aha. Und weiter?“

„Seitdem weiß ich, wie Hassmails aussehen.“

„Oh. Das heißt, jetzt schreiben dir einige Leute, was sie von Flüchtlingen im Allgemeinen und von eurer Arbeit im Besonderen halten.“

„So ist es. Nur nicht so gepflegt ausgedrückt. Und natürlich anonym.“

„Okay, so was ist nicht schön. Erst recht nicht vor dem Einschlafen.“

„Mit Einschlafen war ja sowieso erst mal nichts. Ich hab‘ bestimmt ‘ne Stunde wachgelegen.“

„Genau eine Stunde und sechseinhalb Minuten“, antwortete mein Wecker prompt.

„Sag bloß, du hast die Zeit gemessen!“

„Kleines Hobby von mir. Ich hab‘ ja sonst nichts zu tun, während ich auf deinem Nachttisch stehe. Willst du auch noch wissen, wie oft du geschnarcht hast?“

„Nein danke, behalt’s besser für dich. Sag mir lieber, wie ich mit diesen Nachrichten umgehen soll.“

„Am einfachsten ist es natürlich, wenn du dein Amt wieder aufgibst.“

„Damit die erreichen, was sie wollen? Kommt überhaupt nicht in Frage!“

„Auf diese Reaktion hatte ich gehofft. Aber wenn du weitermachst, musst du lernen, solche Sachen nicht mehr so nah an dich ‘ranzulassen.“

„Ist mir klar. Aber wie soll das gehen?“

„Für den Anfang könntest du einen Rat von Philipp Melanchthon befolgen.“

„Melanchthon? Kenn ich nicht.“

„War ein guter Freund von Martin Luther. Und ein wichtiger Mitstreiter bei der Reformation.“

„Aha. Und was ist das für ein Rat?“

„Nun, Philipp Melanchthon hatte natürlich noch kein Handy. Aber er soll mal gesagt haben: Ich lese abends keine Briefe mehr. (1) Denn er hatte gemerkt: Ich kann dann nicht einschlafen. Weil mir ständig im Kopf herumgeht, was die Leute mir geschrieben haben.“

„Okay, das ging mir ja genauso. Diese ganzen Vorwürfe und Beleidigungen - ich war total aufgewühlt gestern Abend. Aber andererseits - ich muss die Nachrichten ja irgendwann lesen. Und ob ich mir damit den Abend oder den Morgen verderbe, ist doch eigentlich egal.“

„Das seh‘ ich anders. Klar, dein Morgen ist wahrscheinlich nicht zu retten - so wie du aus der Wäsche guckst.“

„Vielen Dank. Sehr schmeichelhaft.“

„Gern geschehen. Hättest du aber gestern Abend dein Handy in Ruhe gelassen und wärst einfach ins Bett gegangen, dann wäre wenigstens dein Abend gerettet gewesen. Und deine Nacht auch. Du hättest ruhiger geschlafen, wärst jetzt besser drauf und kämst dadurch auch leichter mit dem ganzen Nachrichtenmüll zurecht.“

„Hm. Gut, das wär‘ natürlich ein Fortschritt gegenüber meinem Ist-Zustand. Vielleicht hast du Recht. Ich denk‘, ich versuch‘ heute Abend mal, die Finger von meinem Handy zu lassen.“

„Würde dir bestimmt gut tun“, erwiderte mein Radiowecker - und schaltete zurück zum Programm des WDR.

( 1 ) Martin Jung: "Ich rufe zu Dir" Gebete des Reformators Philipp Melanchthon, Frankfurt am Main: GEP, 1997, S. 88f (Nachwort): "Abends ging Melanchthon früh zu Bett, und er öffnete vor dem Schlafengehen keine Briefe mehr, da neue Nachrichten ihn nur beunruhigt und seine Nachtruhe gestört hätten. Als Abendandacht las er in der Bibel und sprach anschließend ein Gebet... Später hat er einmal über den Zusammenhang zwischen Sorgen und Gebet gesagt: 'Durch die Sorgen, die ich mir mache, werde ich zum Beten getrieben, und mit meinen Gebeten stoße ich die Sorgen von mir weg.'"

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