1x gratis beten

In der Fußgängerzone steht ein junger Mann mit einem Pappschild in der Hand und strahlt die Vorübergehenden an. Kann doch fast nur ein Bettler sein, einer der aus wahrscheinlich guten Gründen unser Mitleid und unser Kleingeld will. Ist es aber nicht: Bei näherem Hinsehen steht auf dem Pappschild nämlich: „Gratis Gebet“. Oder besser: „Free Prayer“, denn den Kerl traf ich in Denver, in den USA.

Huch, wie ist der denn drauf, denk ich mir. Und da spricht er mich auch schon an: Wie es mir ginge, wie es mir in seiner Stadt gefalle und ob er für mich beten könne. Er würde das ganz unverbindlich tun. Und zwar zu Jesus Christus. Ja, er tue das einfach so, sagt er, und strahlt. Eben hätte ein Mann ihn gebeten, für seine verspannten Schultern zu beten. Und dem sei es danach sogar besser gegangen. Sowas könne er nicht versprechen, aber das mit dem Beten mache er gerne.

Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht so recht, was ich sagen soll. Ich, die Theologin und Kirchenfrau. Missionare auf offener Straße gibt es bei uns ja doch eher selten – und wenn, dann sehen sie eher angestrengt freundlich aus und wollen einen belehren. Der hier dagegen scheint grad echt nichts Besseres an einem Sonntagvormittag zutun zu haben, als Leute gewinnend sympathisch anzustrahlen und für sie beten zu wollen. Etwas, was für ihn – warum auch immer - selbstverständlich zu sein scheint.

Was soll ich machen! Ich hab zurückgelächelt und es einfach mal ausprobiert, wie es ist, wenn jemand mitten auf der Straße für mich betet.

Wie sich das anfühlte? Gut. Wie wenn einem jemand Aufmerksamkeit schenkt, gute Wünsche formuliert und ihre Erfüllung nicht für ausgeschlossen hält.

Ok: Ich selber werd jetzt nicht damit anfangen, mich in Bonn auf den Marktplatz zu stellen und Leuten ein Gebet anzubieten. Meine Begabung ist das nicht. Aber dass ich bete – nicht nur für mich, sondern für die, die ich im Herzen trage, das ist auch für mich selbstverständlich. Und ich wünsche eigentlich jedem, dass er so einen hat, der für ihn mitbetet.