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Hörmal | 26.12.2017 | 07:45 Uhr
Ein alter Priester auf seinem Stuhl
Autorin:
Was tun am zweiten Weihnachtsfeiertag? Wenn der Bauch voll ist, der Besuch wieder weg und alle Geschenke ausgepackt. Vielleicht den Tannenbaum auf Facebook posten, spazieren gehen oder einfach nur Chillen?
„Ihr habt vielleicht Probleme,“ höre ich den alt-ehrwürdigen Erzbischof von Mossul sagen. Der 74-jährige Geistliche Petros Mouché aus dem Nordirak war gerade im Bistum Essen. Kurz vor Weihnachten hat er die Mitglieder seiner syrisch-katholischen Kirche besucht. Viele sind 2014 vor der Terrorgruppe Islamischer Staat geflohen. Ihre Häuser und Felder verwüstet.
Aber natürlich ist der würdevolle grauhaarige Mann im dunklen Anzug viel zu höflich um wirklich zu sagen: „Ihr habt vielleicht Probleme!“ Und so huscht nur ein verschmitztes Lächeln über sein Gesicht. Der Blick hinter den großen Brillengläsern scheint auf die Weiten der fernen Ninive-Ebene gerichtet, rings um Karakosch. Einst war das die größte Christenstadt im Irak, nahe Mossul. Nachdem der IS letztes Jahr vertrieben wurde, sind etwa 20.000 wieder zurückgekehrt. Wenige nur, aber immerhin wird jetzt auch dort wieder Weihnachten gefeiert, erzählt Erzbischof Mouché, teils noch in brandgeschwärzten Kirchen.
O-Ton (Overvoice):
(Aramäisch....) Ich sehe, dass Weihnachten in Europa viel mit Kindern und Familie zu tun hat, man will sich gegenseitig eine Freude machen. Für uns dagegen geht es jetzt vor allem um das Thema Sicherheit: (Atmo unterlegen) Wie können wir in Ruhe Gottesdienst feiern, ohne dass etwas passiert?
Gottesdienst-Atmo: Gemeindegesang und Liturgie (Essen, 26.11.2017)
Autorin:
Wer zur Kirche geht, riskiert etwas. Der Bischof spricht sogar von einer Art „Heldenmut“ der Gläubigen im Nordirak. Dabei hat er selbst viel riskiert. Er war einer der letzten, die beim Einmarsch des IS aus Karakosch geflohen sind - nicht einmal eine Soutane konnte er mitnehmen – und gut zwei Jahre später einer der ersten, die sich zurücktrauten in die gefährliche Geisterstadt.
Und in den langen Monaten dazwischen? „Das war die schwerste Zeit meines Lebens“, sagt Erzbischof. Zu sehen wie zehntausende (Flüchtlinge) in der Kurdenstadt Erbil auf der Straße kampieren mussten, manche barfuss, ohne irgendetwas gerettet zu haben.
O-Ton (Overvoice):
(Aramäisch....) Ich wollte einfach nur einer von ihnen sein. Deshalb habe ich mir einen Stuhl besorgt und war Tag und Nacht draußen, um ihnen nahe zu sein.
Autorin:
Ein alter Priester auf dem Stuhl unter den Flüchtlingen: „Manchmal habe ich nur mit ihnen geweint und gebetet,“ sagt er. Barmherzigkeit, was will man sonst dazu sagen? So wie auch Jesus sich oft gekümmert hat. Auch er wollte den Menschen nahe sein. Als Kind in der Krippe ohne ein festes Dach über dem Kopf. Und später bei seinen Wanderungen über die Dörfer und Städte. Er bleibt, wo immer ihn jemand einlädt. Bis heute. „Weihnachten ist ein Fest des Friedens“ ,sagt Erzbischof Mouché, „das ist unsere gemeinsame Sehnsucht - überall in der Welt.“