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Kirche in WDR 2 | 02.01.2018 | 05:55 Uhr
Draußen
Beckmann hat seine Sehnsucht entdeckt. Aber erst einmal hat er alles verloren. Er war Unteroffizier im Auslandseinsatz. Bei einer von ihm geführten Aktion sind elf Mann umgekommen. Dann ist er in Gefangenschaft geraten. Nach tausend Tagen kommt er wieder nach Hause. Und da ist alles anders als vorher. Im Bett seiner Frau liegt ein anderer. Sein kleiner Junge lebt nicht mehr. Auch seine Eltern sind gestorben. In der Wohnung, wo er groß geworden ist, leben jetzt fremde Leute.
Beckmann versucht wieder Tritt zu fassen. Zuerst sucht er einen Job. Früher hat er manchmal als Schauspieler gearbeitet. Jetzt bewirbt er sich in einem Kabarett. Alles sieht gut aus. Der Direktor sucht einen jungen Schauspieler. Einen, der die Probleme und die Sehnsüchte von heute überzeugend darstellen kann. Aber Beckmann sieht man die Probleme zu sehr an. Der kurze Soldatenhaarschnitt. Das verhärmte Gesicht. Das steife Knie. Aus der Rolle wird nichts.
Dann lernt er eine junge Frau kennen. Sie verliebt sich. Anscheinend vor allem, weil sie Mitleid mit ihm hat. Sie nimmt ihn mit in ihre Wohnung. Sie wollen ins Bett gehen. Da taucht plötzlich ihr Mann auf. Beckmann ergreift die Flucht. Und ihm wird klar: Er ist nicht besser als der Mann, der ihn bei seiner eigenen Frau verdrängt hat.
Dann trifft er seinen Oberst. Den Vorgesetzten bei seinem Auslandseinsatz. Mit ihm will er über die Katastrophe sprechen, bei der die elf Kameraden starben. Er möchte von seiner Schuld frei gesprochen werden. Denn es war ja der Oberst, der die gefährliche Aktion befohlen hatte. Der streitet jedoch alles ab. Und lässt Beckmann mit seiner Schuld alleine. Beckmann betrinkt sich. Er schläft ein. Träumt unruhig. In diesem Traum begegnet ihm Gott. Aber es ist eine frustrierende Begegnung. Beckmann fragt ihn: „Wo warst du, als mein Sohn starb? Wo warst du, als von meinem Spähtrupp elf Mann fehlten? Wann hast du dich jemals um uns gekümmert?“ Aber der geträumte Gott jammert nur weinerlich, dass die Menschen nicht mehr an ihn glauben. Dieser Gott ist für Beckmann gestorben.
Der Schriftsteller Wolfgang Borchert hat die Geschichte von Beckmann erzählt. Er berichtet, wie der Soldat ganz am Boden ist. Wie er sterben möchte. Und wie er an diesem Punkt seine Sehnsucht entdeckt. „Gott, sei lebendig, nachts, wenn es kalt ist, einsam und wenn der Magen knurrt in der Stille – dann sei mit uns lebendig, Gott.“
Die Losung für das neue Jahr sagt, dass Gott gerade in solchen Momenten da ist. Wenn man nicht mehr weiter weiß. Wenn einen das Gefühl quält, schuldig zu sein. Wenn man durstig ist nach neuer Kraft. Die Losung macht Mut: „Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers als ein Geschenk.“ Eine solche Stärkung wünsche ich Ihnen für 2018. Immer dann, wenn Sie sie brauchen.