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Hörmal | 21.01.2018 | 07:45 Uhr
Mein Lyskirchen-Problem
Da habe ich mich doch tatsächlich vor kurzem in der Messe geärgert, dass so viele Menschen da waren. Und ich denke, das muss ich Ihnen erst mal erklären. Sollte mich doch eigentlich freuen, dass die Kirche voll war.
Also: Immer, wenn ich einen Gottesdienst feiern will, der mir zu Herzen geht, dann gehe ich am Sonntagabend in die kleine romanische Kirche Maria Lyskirchen in Köln, direkt am Schokoladenmuseum.
Was das Besondere ist? Da spielt keine Orgel. Wenn Sie da hereingehen, bekommen Sie ein Liedheft in die Hand gedrückt, da stehen alle Lieder im vierstimmigen Satz. Und die Gottesdienstbesucher sind meist musikalisch so gut drauf, dass die a capella einfach alle Lieder mitsingen. Ohne Orgel, vierstimmig, jeder in der Stimmlage, die er oder sie sich zutraut. Ich singe für meine Leben gern, das ist meine Art von Gebet und daher ist dieser Raumklang in der Kirche für mich etwas ganz Besonderes, wenn plötzlich alle Stimmen sich vereinen.
Nun an jenem Sonntag aber klappte ausgerechnet dieser Zauber nicht, warum ich gerade in den Gottesdienst in Maria Lyskirchen gekommen war. Denn: diesmal war die die Kirche voll. Ich denke, das lag auch an der spektakulären Krippe, die in der Kirche steht. Viele wollten die bestimmt noch mal sehen, kamen so zum Gottesdienst und wussten nicht, dass es hier aufs Mitsingen ankommt. Vielleicht konnten sie auch schlicht keine Noten lesen – wer weiß. Jedenfalls habe ich da gemerkt, wie anfällig dieses a capella-Konzept ist: während in anderen Kirchen die Orgel den dünnen Gesang ja meistens übertüncht, kam hier der Klangkörper in Schieflage. Denn es kommt auf jeden und jede an. Wenn die Stimmen sich nicht gegenseitig tragen, wird jeder unsicher und dann klingt das ehrlich gesagt: bescheiden.
Und so hatte ich mich geärgert, dass gerade in diesem festlichen Kerzenschein mit Krippe die Stimmung nicht so richtig aufkommen wollte, wie ich mir das erhofft hatte. Weil zu viele da waren. Zu viele, die nicht mitgesungen haben.
Ich bin dann immer schnell dabei, innerlich nach Lösungen für das Problem zu suchen. Also die Frage: wie bekommen wir in Lyskirchen wieder die gute Musik hin, wie ich sie kenne und liebe? Drei Optionen gäbe es aus meiner Sicht:
Erstens: doch die Orgel einsetzen – dann fällt das nicht auf. Dann aber ist der besondere Charakter futsch. Die Orgel ist das musikalische Opium eines müden Kirchenvolks.
Zweite Option: Nicht mehr alle reinlassen, sondern nur die, die Noten lesen können, bzw. die Lieder kennen. Das würde den Charakter wahren, wäre aber ziemlich charakterlos, bzw. ausgrenzend. Dann würde sich da eine kleine Herde selbst befeiern.
Drittens: den Leuten vorher die Lieder beibringen. Einen guten Kirchenmusiker engagieren, der die Leute als Vorsänger durch die Stücke trägt. Das aber bedeutet: echte Arbeit. Und vielleicht würden sich darauf auch nicht alle Neubesucher einlassen – aber es würden immer mehr, die mitmachten.
Wie hätten Sie entschieden? Naja, mein Lyskirchen-Problem ist nicht Ihr Problem – ich weiß. Aber die Herausforderung dahinter ist ja eine Grundsätzliche: Wie damit umgehen, dass in eine bestimmte Gruppe neue Leute kommen, die – aus welchem Grund auch immer – aus der Art schlagen – und sei es, dass sie nicht mitsingen können: Soll man das einfach übertünchen? Soll man die Leute ausschließen und sich fernhalten, oder soll man sie befähigen daran teilzuhaben, was einem selbst wichtig ist?
Mein Lyskirchen-Problem zeigt mir: Integration fängt da an, wo wir bereit sind. auf andere zuzugehen und sie für das begeistern, was uns wichtig ist. Es kommt, wie bei dem Gesang in Lyskirchen, auf jeden Menschen an. Das bedeutet Arbeit, klar. Aber ich bin überzeugt: Und wenn man die richtigen Mittel findet, sie herein zu bringen in die Gruppe, dann kann das richtig gut klingen.