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Kirche in WDR 2 | 28.05.2018 | 05:55 Uhr
Erwachsen werden
„Und ich soll die Taufpatin werden“, sagte mir die junge Frau. Sie war mit ihrer Schwester, ihrem Schwager und deren ersten Kind zum Taufgespräch gekommen. „Es gibt aber ein Problem“, fuhr sie fort. „Ich bin aus der Kirche ausgetreten.“ – „Dann können Sie leider nicht Taufpatin werden“, warf ich ein. „Taufpatin sein, das ist ein geistliches Amt. Da geht es um Begleitung im Glauben, um Glaubwürdigkeit.“
„Das ist ja mal wieder typisch Kirche, eng und autoritär“, bekam ich dann zu hören. Mit so etwas hatte ich gerechnet, solche Worte fallen dann nämlich häufig. Wenn den Leuten die Argumente ausgehen, fallen sie in Klischees.
Also habe ich dasselbe Niveau gewählt. Und geantwortet: „Wer nicht im Verein ist, darf nicht mitspielen. So einfach ist das.“ – „O.k., das verstehe ich“, lenkte die etwas gekickte Wunschtaufpatin ein. „Aber können Sie bei mir nicht eine Ausnahme machen? Ich habe da nämlich noch ein anderes Problem. Mein Vater ist sehr gläubig, er darf nicht erfahren, dass ich aus der Kirche ausgetreten bin. Er wäre dann sehr enttäuscht von mir.“
Das war für mich eine Steilvorlage. „Es tut mir leid. Sie können nicht Taufpatin werden. Und zwar nicht deshalb, weil Sie aus der Kirche ausgetreten sind. Sondern allein deshalb, weil Sie nicht erwachsen sind. Wenn Sie Ihrem Vater nicht die Wahrheit sagen können, sind Sie noch nicht erwachsen. Wir können aber nur Erwachsene als Taufpaten zulassen.“
Ich gebe zu: Ich kenne die Frau nicht, und es war eine Provokation. Aber immerhin schien mir, dass ich da einen Nerv getroffen hatte: Die nun Nichtmehrtaufpatin schaute nachdenklich. Das Taufgespräch war aber ansonsten gut, wir haben einander verstanden, weil wir freundlich, aber ehrlich miteinander umgegangen sind. Bei der Taufe war dann eine andere Patin anwesend. Die junge Frau kam erst gar nicht, sie hatte ihrem Vater weisgemacht, sie sei krank. Sie konnte ihm also immer noch nicht die Wahrheit sagen und setzte noch eine Lüge obendrauf. Seltsam, finde ich, dass so viele im Kinderglauben stecken bleiben. Und dabei ist das Christentum doch erst für Erwachsene so richtig interessant!