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katholisch

Hörmal | 23.09.2018 | 07:45 Uhr

Das "Wir" in der Verantwortung

Mit dem Wörtchen „wir“ ist das ja so eine Sache. Wunderbar kann es Gemeinschaft ausdrücken. Aber: Hinter dem „wir“ kann man sich auch herrlich verstecken.

In diesen Tagen kommt der Missbrauch in der katholischen Kirche so drastisch ans Licht, wie nie zuvor. Und da spielt das Wörtchen „wir“ eine große Rolle. „Wir fühlen mit den Opfern.“ „Wir haben uns schuldig gemacht“ – so klingt das in den Verlautbarungen. Und zurecht erinnern kritische Beobachter, dass „Ich“ das Wort der Stunde wäre. Ich übernehme Verantwortung – nicht wir alle in der Kirche.

Und daher. Um der Opfer willen. Kein Versteckspiel mehr. Daher muss auch ich die Worte über meine Zunge gehen lassen, wenn ich öffentlich hier im Radio spreche. Also: „Ich trage Verantwortung“. Aber wofür?

Als erstes muss ich sagen, dass ich kein Priester bin. Dabei war die Frage auch bei mir einmal da. Klar, als junger Mann, an Theologie interessiert. Als ich davon meiner Mutter erzählte, nahm sie mich bei einem Spaziergang beiseite und deutete mir nur vage an, was sie damals mit ihrem Heimatpfarrer erleben musste.

Ich gestehe, ich wollte es nicht näher wissen, sie wollte es nicht näher sagen. Hängen geblieben jedoch bei mir ist ihr Satz: „Du kannst Priester werden. Aber wenn Du jemals so einer wirst wie der, dann könnte ich mir das nie verzeihen“. Und auch um meiner Mutter willen bin ich sehr ernst mit mir ins Gericht gegangen, ob ich das wirklich so radikal leben könnte, ganz ohne Partner. Mir wurde klar: Du bist kein Priester. Und Du wirst es auch nicht werden.

Trage ich also Verantwortung? Nicht in dem Sinne, dass ich mich an einem Kind vergangen hätte. Aber: Je mehr ich – um der Opfer willen – kritisch auf mein Leben in der Kirche schaue, dann muss ich mir eingestehen, dass auch ich an vielen Stellen weggeschaut habe. Vom Pfarrer der Nachbargemeinde wurde nur getuschelt, man solle sich besser fernhalten. Später wurde er in Südafrika verhaftet, weil er sich auch dort an Kindern vergriffen hatte, nach seiner Strafversetzung. Warum das so weit kam? Weil viele in der Kirche geschwiegen hatten. Auch ich.

Sie merken: Es gab und gibt eine Kultur des Wegsehens. Und dem müssen sich nicht nur die Personalverantwortlichen in den Bistümern stellen, sondern alle, die sich ehrenamtlich mit jungen Menschen befassen in der Kirche. Und daher ist es gut, dass das jetzt durch eine umfassende Präventionsarbeit geschieht.

Was bleibt ist die Frage, warum ich noch in der Kirche bleibe. Das fragen mich viele, die sich oft genau wegen dieser Doppelmoral – ja, darum geht es ja – von der Kirche abgewandt haben. Ich bin da ganz realistisch: Es wird auch weiterhin die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit geben. Ich werde niemals in einer Kirche leben, die an ihren eigenen Ansprüchen nicht scheitert, wie auch ich an meinen Ansprüchen scheitere. Z.B., indem ich geschwiegen hatte.

Warum ich bleibe hat viel mit denen zu tun, die mich als Christen immer noch überzeugen: Weil sie das Evangelium konsequent leben, wie ich es nicht kann. Sie verlassen ihr Heimatkloster auf den Philippinen tausende Kilometer entfernt, um alte Patres an der Mosel zu pflegen. Sie verzichten als Pfarrer im Sozialen Brennpunkt auf Reisen ins Heilige Land, weil die Armen da auch nicht hin können. Sie gießen Dir den Tee ein und nehmen danach den Teebeutel für sich, weil sie wissen, dass selbst der Tee im Beutel ein rares Gut ist und der zweite Aufguss auch noch schmeckt. An diese Männer und Frauen denke ich derzeit viel. Sie sind mit dafür verantwortlich, dass ich geblieben bin, dass ich weiter Teil sein will von diesem großen Wir, das ich an der Gemeinschaft Kirche mag. Aber: im Moment ist nicht Zeit für das Gemeinschafts-Wir, sondern für das Ich, das Verantwortung übernimmt. Für die Kirche – aber besonders für die Opfer.

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