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Kirche in WDR 2 | 07.05.2019 | 05:55 Uhr
Glück
Es ist eine steile These am frühen Morgen: Wenn einer
leidet, leiden alle mit. Ein Satz aus dem Neuen Testament von Paulus. Der vergleicht
die Gemeinschaft von Menschen, die Gemeinde, mit einem Leib. Wie die einzelnen
Körperteile sind alle miteinander verbunden. Und deshalb gilt: Wenn es irgendwo
weh tut, hat das Auswirkungen auf das Ganze. Wenn ein Körperteil leidet, leiden
alle mit. Ein Satz, der es in sich hat, der provoziert.
Wie ist das eigentlich mit meinem Mitgefühl für andere?
Wie ist das bei Ihnen? Ist es mit Ihrem
Mitfühlen für andere? Für Menschen, bei denen es nicht glatt läuft, die leiden.
Die krank sind, alt, wohnungslos, geflohen. Leiden wir mit ihnen?
Nein, jetzt kommt nicht die moralische Keule – keine Sorge!
Im Gegenteil: Ich bin manchmal erstaunt, wie viele Menschen mitleiden, wie
viele davon sprechen. Wie vielen die Zerstörung der Welt nahe geht. Der Krieg
in Syrien. Das Sterben im Jemen. Die gequälten Tiere. Aber auch die vielen
einsamen Menschen mitten unter uns.
Gleichzeitig höre ich in letzter Zeit immer wieder: Es ist
zu viel. Selbst von Bekannten, die sich immer sozial oder politisch engagiert
haben. Sie sagen: Manchmal stelle ich das Radio ab, den Fernseher, manchmal
lese ich nicht mal mehr die Zeitung. Ich halte es einfach nicht mehr aus. Aber:
Ist das eine Alternative? Ausschalten und abschalten?
Paulus sagt: Wenn das Herz schmerzt, schmerzt der ganze Leib.
Solange ein Körperteil leidet, leidet die Gemeinschaft. Umgekehrt gilt dann:
Der Gemeinschaft geht es gut, wenn es allen gut geht. Das klingt dann schon
nach Mahatma Gandhi. Der ist auch davon überzeugt gewesen, dass man nur
glücklich sein kann, wenn es allen gut geht. Oder zumindest, wenn man sich
dafür einsetzt. Jeder und jede nach ihren Möglichkeiten.
In diesen Tagen gibt es ein junges Mädchen, eine junge Frau,
die uns vormacht, wie das geht. Greta Thunberg kämpft
für mehr Klimagerechtigkeit. Jeden Freitag
demonstriert sie und hat eine weltweite Massenbewegung ausgelöst. Ausgerechnet
bei der angeblich so unpolitischen Jugend. Jeden Freitag demonstrieren Tausende
statt zur Schule zu gehen.
Greta Thunberg hat als Grundschulkind von der Erderwärmung
erfahren. Danach soll sie eine Depression gehabt haben. Seit rund einem Jahr
ist sie aktiv,
der “friday for future”
hat sich zu einer globalen Bewegung entwickelt. Manchmal sei sie gestresst oder
genervt, erzählt sie. Aber auch: Ja, sie sei glücklicher geworden.
“Fröhlicher”, sagen ihre Eltern.
Wir können von Greta Thunberg lernen – wir Alten. Mitleiden
– und es dabei nicht belassen. Anfangen, etwas zu tun. Bei uns vor der Haustür.
Und vielleicht machen wir ja dann auch die Erfahrung, dass wir dabei glücklicher werden.