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Hörmal | 15.09.2019 | 07:45 Uhr
Rettungsgasse - Leben nach der Love Parade
O-Ton:
Diese Fassade, die bröckelt jetzt zunehmend, und das ist auch gut so. Viele
Kollegen möchten diese Form von Showmasterei gar nicht mehr haben, sondern sind
froh, wenn sie mal über ihr Seelenleben reden können.
Autorin: Kaum zu glauben! Ein Feuerwehrmann,
der von der Seele spricht… Bürstenschnitt, Brille und ein freundliches Lächeln
mit Dreitagebart. Jörg Helmrich, 54, ist Branddirektor in Duisburg.
O-Ton: Die Seele ist ja das, was eigentlich so die Sehnsucht nach
Gott hat. Ich kenne viele Menschen, die haben Mordskarriere gemacht und
verdienen Geld wie verrückt, aber sind dennoch nicht glücklich, weil eben
dieses Gegengewicht fehlt: Weil die Seele da völlig abgeschnitten wird.
Autorin: „Was hilft es dem Menschen, wenn er
die ganze Welt gewinnt und nimmt doch Schaden an seiner Seele“, so heißt es im
biblischen Monatsspruch jetzt im September. Verblüffend aktuell. Als hätte
Jesus die Welt heute schon im Blick gehabt. Jörg Helmrich erinnert der Satz
schmerzlich an die große Duisburger Tragödie der „Love Parade“ 2010: 21 Tote
und hunderte Verletzte.
O-Ton: Der Einsatz selber, der hat mich jetzt ganz persönlich sehr
stark betroffen gemacht, weil ich ein großes Schamgefühl hatte nach dem Einsatz,
weil ich mich schämte dafür, als Teil der Stadt, als Teil von Duisburg, Teil
der Feuerwehr - nicht verhindert zu haben, dass ein solches Ergebnis
stattgefunden hat.
Autorin: Monatelange hatte er Angst- und
Panikattacken, jeder Pressebericht jagte den Blutdruck in schwindelnde Höhen
und die Befragung durch die Kripo feuerte sein Schuldgefühl weiter an. Obwohl
Jörg Helmrich nicht wusste, was sie anders hätten tun können bei der Feuerwehr.
Es dauerte lange bis er begriff: Er war traumatisiert. Erst nach und nach fand
er Vergebung im Glauben.
O-Ton: Ich hab‘ einen echten Vertrag, sag ich jetzt mal etwas
salopp, mit Gott geschlossen: Ich hab gesagt, ok ich tu‘ jetzt mein Bestes, um
mir keine Sorgen zu machen, und der Rest ist jetzt mal dein Job - und der
Friede Gottes hat dann tatsächlich mein Herz erfüllt. Das klingt jetzt
vielleicht ein bisschen abstrakt, aber ich bin da sehr dankbar für.
Autorin: Diese und viele andere Erfahrungen aus
dem Feuerwehralltag hat Jörg Helmrich jetzt in einem Buch festgehalten. Der
Titel: „Rettungsgasse".
O-Ton: Die Rettungsgasse, die findet im Kopf,
im Herzen statt. Das ist meine Direktverbindung zu Gott, wenn man so will, im
Einsatzgeschehen, wenn der Adrenalinpegel bis in die Haarspitze schießt, dann
ist die Rettungsgasse mein Dialog, mein direktes Gebet, damit dem Menschen, der
uns in seiner Not gerufen hat, dann auch geholfen werden kann.
Buchtipp: Jörg Helmrich: Rettungsgasse. Von ausweglosen Situationen und wundersamen Einsätzen. Wahre Erlebnisse eines Feuerwehrmanns. Gerth Medien, Asslar 2019, 224 Seiten, 16 Euro
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius