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Kirche in WDR 2 | 14.10.2019 | 05:55 Uhr
Angst vor Endlichkeit
Heute ist wieder Montag, und weil heute Montag ist, ist das Wochenende leider auch schon wieder vorbei. Tja.
Heute ist der erste Tag der Herbstferien in Nordrhein-Westfalen. Vielleicht sind Sie dem Herbst noch mal für eine Woche oder zwei entwischt. Und machen Urlaub an einem warmen sonnigen Ort. Wenn ja: Gute Reise und gute Erholung!
Ich finde den Herbst schön und schwierig zugleich. Schön ist:
Durch den Wald laufen. Die späte Sonne spüren.
Mit den Beinen durch das goldgelbe Laub rascheln. Ein Glas Federweißer trinken.
Zwiebelkuchen backen. Die erste Kürbissuppe mit Kokosmilch kochen.
Schwierig ist:
Merken, dass die Tage kürzer werden. Es abends
sehr früh dunkel wird. Die Aussicht, dass es jetzt noch wochenlang so
weitergeht. Nebel, der die Sicht nimmt. Verwelkte Blätter, die langsam zu Boden
rieseln. Feuchte Kälte, die unter den Mantelkragen kriecht.
Und ganz schwierig: Die Endlichkeit der Natur erkennen. Und sich klarzumachen: Mein Gott! Ich bin ja auch ein Teil davon.
Je älter ich werde desto stärker merke ich, dass mich das herausfordert die Endlichkeit zu akzeptieren. Schönheit ist endlich. Sportlichkeit und Beweglichkeit. Kräfte und Kreativität. Freundschaften und Beziehungen. Gesundheit. Das Leben selbst.
Ich merke, dass sich im Herbst diese Gedanken nach vorne drängeln. Im Frühling, wenn das Leben aus allen Poren platzt und im Sommer, wenn die Sonne die Energie in allen Zellen weckt – dann sind sie schön verpackt irgendwo tief in meinem Bewusstseinskeller. Aber heute, an diesem Montagmorgen, wenn ich sehe, wie die Blätter der Linden in unserer Straße langsam zu Boden fallen sagen sie auf einmal: Hallo! Wir sind auch noch da.
Mist. Denke ich. Und werde melancholisch.
Versunken blättere ich in der Bibel und stoße ich auf diesen kleinen Gedanken: „Denn Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit geschaffen und ihn zum Abbild seines eignen Wesens gemacht.“ Der Autor war schlauer als ich, denke ich. Auf jeden Fall gelassener. Er hat kapiert, dass er das, was das Leben trägt – selbst über die Endlichkeit hinaus – gar nicht selber machen kann. Wie auch? Hier wird ein anderer kreativ. Gott selbst. „Bleib gelassen“, sagt der. „Du bist mir unendlich wertvoll. Als wärst du ein Bild von mir selbst. Und wenn ich sage: unendlich! Dann meine ich das auch so.“
Das, was das Leben trägt, bekomme ich geschenkt: Den Spaziergang durch den goldgelben Wald mit Frau und Hund. Das Klirren der Gläser, als wir mit dem Federweißer anstoßen. Geschenke, bei denen die Endlichkeit auf einmal verstummt.