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Hörmal | 26.01.2020 | 07:45 Uhr

Mut gegen Unrecht

Morgen wird der Befreiung des Konzentrationslagers in Ausschwitz vor 75 Jahren gedacht. Alleine in Auschwitz haben die Deutschen Nazis über eine Millionen Menschen umgebracht. Erst letztes Jahr war ich in Polen und daran muss ich heute unweigerlich denken. Ich war zwar nicht in Ausschwitz aber in Warschau zusammen mit Kollegen, die auch für die Kirche im Radio sprechen. Wir hatten eine Führung gebucht durch das Warschauer Ghetto. Das erste, was mich der Stadtführer gefragt hat, war: Warum haben sie ausgerechnet eine Stadtführung durch das Warschauer Ghetto gebucht? Ich antwortete etwas verlegen: „Wir kommen aus Deutschland und es hat etwas mit unserer Geschichte zu tun.“ Immerhin hatte Nazi-Deutschland Polen überfallen und 1940 das Ghetto errichtet als „Jüdischen Wohnbezirk in Warschau“ – wie sie es nannten. 400.000 Juden waren darin eingepfercht.

Wir haben den Stadtführer am Ghetto-Ehrenmal getroffen. Da, wo Willy Brand 1970 auf die Knie gefallen ist. Das Denkmal erinnert an die Helden des Aufstandes, dem die Deportation von hunderttausenden Juden in das Vernichtungslager Treblinka vorausging. Der Aufstand wurde von der SS niedergeschlagen. Die hat danach das Ghetto dem Erdboden gleich gemacht. Heute erinnern nur noch Hinweisschilder an die 18 Kilometer lange Umgehungsmauer und an einige besondere Orte im Ghetto. Mit unserem Stadtführer sind wir einen Teil der ehemaligen Ghettomauer abgeschritten.

Dabei hat sich mir eine Gedenkstätte tief eingeprägt, weil sie wie ein Aufschrei nachklingt. Bis heute hat der an seiner Tragweite und Bedeutung nichts verloren:

Die Gedenkstätte erinnert an Szmul Zygielbojm. Ich hatte noch nie von ihm gehört. Es gibt allerdings so viele Geschichten aus dieser Zeit, die erzählt werden sollten. Die von Szmul Zygielbojm geht so: Er gehörte zum ersten Warschauer Judenrat, der das Leben im Ghetto zu organisieren hatte. Zugleich hat Zygielbojm aber auch den jüdischen Widerstand organisiert. Und ihm war die Flucht aus dem Ghetto gelungen. In der Freiheit versuchte er die Weltöffentlichkeit über die Vernichtung der polnischen Juden zu informieren – aber er fand kein Gehör. Nach der Niederschlagung des Aufstandes im Warschauer Ghetto beging er am 12. Mai 1943 Selbstmord und hinterließ einen Abschiedsbrief. Daraus wird an der Warschauer Gedenkstätte ein Satz zitiert, der mich bewegt hat: „Ich kann nicht schweigen und kann nicht leben, während die letzten Juden in Polen umkommen ...“

Szmul Zygielbojm hat sich das Leben genommen und dabei das letzte Mal für sich den Aufschrei gegen das Wegschauen versucht.

Wie gesagt: Ich kannte das Schicksal von Szmul Zygielbojm vor meinem Besuch im Warschauer Ghetto nicht, aber seine Geschichte beschäftigt mich. Vor allem sein verzweifelter Aufschrei, dass Unrecht geschieht, aber nicht wahrgenommen wird, geschweige denn, dass etwas dagegen unternommen wird. Der Aufschrei hat nichts an seiner Bedeutung verloren. Weltweit geschieht immer noch Unrecht, Unrecht gegen Migranten, gegen Andersdenkende, gegen soziale Minderheiten. Das passiert sogar vor meiner Haustür – auch wenn nicht erst Menschen dabei zu Tode kommen. Manchmal frage ich mich: Wie himmelschreiend muss Unrecht sein, dass die Menschen endlich hinhören, wenn Unrecht geschieht – auch im Kleinen. Da muss es benannt werden und – da muss dagegen vorgegangen werden. Als Deutscher, als Christ, als Mensch hat mich der Aufschrei Szmul Zygielbojms bewegt. Ich hoffe nur, dass ich den Mut habe, gegen Unrecht einzuschreiten, wenn es heute geschieht.

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