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Kirche in WDR 2 | 28.09.2019 | 05:55 Uhr
Leeres Nest
Da steht Moni in diesem leeren Zimmer. Nur den ausgeräumten Schrank, einen Haufen ausrangierter Klamotten und einigen Abfall hat ihre Tochter hinterlassen. Sie ist ausgezogen und das reißt Moni das Herz auf.
Was Moni fühlt, ist das Empty-Nest-Syndrom. So nennt man die Gefühlslage von Eltern, die mit Trauer und Schmerz auf ein Heim blicken, das ihnen leer vorkommt. Sie sind einsam, fühlen sich nicht mehr gebraucht.
„Ich war erschrocken über diese extreme Gefühlslage, aus der ich sehr lange nicht herauskam, die jeden Blick auf das Kind bei den banalsten Tätigkeiten mit einem Schleier der Trauer überzog, denn es fühlte sich ja an, als sei alles bald für immer vorbei.“ So schildert es eine andere Mutter, als sich der Auszug des Sohnes abzeichnete.
Spätestens wenn in zwei Wochen das Semester oder eine Ausbildung beginnt und die Kinder ausziehen, ereilt die Leeres-Nest-Krise manche Eltern. Meist Frauen, zehn Prozent aller Mütter sind betroffen, so eine Studie.
Sie sind oft um die 50, die Wechseljahre schlagen zu, die Hälfte des Lebens ist vorbei. Man merkt, dass man alt geworden ist. Der Partner, mit dem sie die Kinder 20 Jahre lang großgezogen haben, kommt ihnen plötzlich fremd vor.
"Es ist normal, dass Kinder ihre Eltern
verlassen, aber das heißt nicht, dass es nicht wehtun darf", sagt
Psychotherapeutin Verena Kast, die mehrere Bücher zum Thema
geschrieben
hat.
"Es
ist wichtig, diese Trauer zuzulassen", rät eine andere Expertin,
"aber nur bis zu einem bestimmten Grad." Wenn Schlaflosigkeit,
Appetitlosigkeit und andere körperliche Symptome hinzukommen, kann das auch ein
Zeichen für eine ernsthafte Depression
sein.
So weit muss es aber nicht kommen. Wenn die erste Trauer überwunden ist, beginnen viele Eltern, die Leere mit Projekten zu füllen. Das ehemalige Kinderzimmer wird zum Musikzimmer. Küche und Wohnzimmer werden luxussaniert. Frauenzeitschriften raten gerne dazu, sich in dieser Lebensphase "neu zu erfinden".
Moni hat sich einen Schrebergarten zugelegt. Dort säht und erntet sie nach Herzenslust. Im Herbst steht die langersehnte Nepalreise an. Gespräche mit anderen Frauen, auch mit ihrer Pfarrerin, haben ihr geholfen.
Ein Trost: Komplett loslassen wollen Kinder und Eltern einander meist nicht. Eltern bleiben Eltern, Kinder Kinder. Sie sind auf Facebook oder Instagram befreundet, tägliche WhatsApp-Nachrichten sind keine Ausnahme. Monis Familie hat dafür eine eigene Gruppe. Manchmal bekommt sie so von ihrer Tochter mehr mit als in der Pubertät.
Die Beziehung verändert sich, aber trotz räumlicher Trennung bleiben sie sich nahe. Schließlich hat Moni ihrer Tochter zwei Dinge mitgegeben: Wurzeln und Flügel.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
Quellen:
1. Silke Burmeister, Als würde einer sterben: https://taz.de/!5335537/,
zuletzt abgerufen am 18.8.2019.
2. https://www.sueddeutsche.de/leben/empty-nest-syndrom-kinder-weg-krise-da-1.2588289-2,
zuletzt abgerufen am 18.8.2019.