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Kirche in WDR 2 | 30.01.2020 | 05:55 Uhr

Verlorene Söhne

Seit einer viertel Stunde steht er in der Kälte. Vor dem Gefängnis. An seiner knallroten Skijacke ist ein Schildchen angesteckt. „Besucher“ ist darauf zu lesen. Für Walter ist heute ein besonderer Tag. Er will noch einmal an den Ort seiner Jugend – ins Gefängnis. Walter ist inzwischen 86 Jahre. Er steht aufgestützt auf zwei Walking-Stöcke an der Pforte. Ich bin Gefängnispfarrer und hole ihn dort ab.

Zur Begrüßung strecke ich ihm die Hand entgegen und greife in einen dicken Fausthandschuh. Wir gehen los. „Sieben Jahre habe ich hier verbracht“ sagt er. Wir bewegen uns mit kleinen Schritten vorwärts. Wegen Diebstahl ist er als 15-jähriger verurteilt worden. Bis zu seiner Volljährigkeit, mit damals noch 21, hat er in einer sog. „Jugendbesserungsanstalt“ gelebt.

Vor dem ehemaligen Speiseraum bleiben wir stehen. Inzwischen sind hier Hafträume errichtet worden. „Der Hermann hat damals, an einem Freitag, seinen Fisch gegen die Wand geworfen und der ist dann ganz langsam bis zur Fußleiste herunter gerutscht“ erzählt er lachend.

Wir gehen weiter an den Arbeitsräumen der Schreinerei vorbei. „Hier habe ich meine Ausbildung zum Korbflechter absolviert“,
sagt er. „Mein Ausbilder war ein toller Mann, streng aber auch gerecht und vor allem jedem der Bewohner zugewandt. 800 Jungs waren wir hier auf dem Gelände, zu je 50 in einem Schlafsaal mit Doppelstockbetten.“

Am Grillplatz angekommen, berichtet Walter von einem Schwimmbad, das hier früher gewesen ist. Es ist der einzige Unterschied, den er zu damals ausmachen kann.
„Ich bin dankbar, dass mir die Anstalt den Weg ins Leben gewiesen hat“, sagt er, während wir unseren Rundgang in der Kirche beenden.

Bis in die letzten Reihen waren die Bänke sonntags immer gefüllt. An die Ansprachen des Pfarrers kann er sich nicht mehr erinnern. Aber eine Geschichte hat er behalten: Die, wo Jesus von Gott erzählt, der wie ein Vater ist, der sich freut, als sein Sohn zurückkommt. Und das, obwohl er sein ganzes Erbe verschleudert hat und nun mit leeren Händen da steht. „Irgendwie waren wir alle hier wie verlorene Söhne“, sagt er. „Aber über unsere Rückkehr hat sich niemand gefreut. Trotzdem hab ich gemerkt, dass Gott auch mein Vater sein will.“

Zum Abschied reicht er mir seine rechte Hand mit dem dicken Fausthandschuh. Als ich sie ergreife, drückt er mit der Linken von oben fest darauf. Die beiden Stöcke schwingen an den Schlaufen rechts und links der knallroten Skijacke. Völlig frei steht er da.


Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

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