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evangelisch
Kirche in WDR 2 | 21.04.2020 | 05:55 Uhr
Fuck you Greta
Fuck
you Greta. Ohne zu blinken drängelt sich der silberne Pkw zwischen
mich und das Auto vor mir. Ich muss scharf bremsen. Ich lese den
Aufkleber über seinem Auspuff. „Fuck you Greta!“ steht dort. Im
Ernst? Ich sehe das zum ersten Mal, aber ein Blick ins Netz verrät:
Das Ding gibt es für 2,95 Euro plus Versand. Aus hochwertiger
Outdoor-Folie in Deutschland hergestellt. Kunden, die diesen
Aufkleber gekauft haben, kaufen auch den Sticker „Deutsches Reich“
in den Farben Schwarz-Weiß-Rot mit einem Nazi-Adler garniert,
Springer-Stiefel oder das schwarze Herren- T-Shirt mit der Aufschrift
„Division 88 Deutschland“. Falls Ihnen das nichts sagt: Die 88
steht für zweimal den achten Buchstaben des Alphabets und dient als
Abkürzung für den Nazi-Gruß „Heil Hitler“.
Nazis
machen also Front gegen Greta Thunberg und ihr Engagement. Und das
Engagement Hunderttausender junger Leute, die hoffen, den Klimawandel
noch stoppen zu können. Auch wenn es darum Virus-bedingt ruhiger
geworden ist: Die Erderwärmung bedroht unser Leben weiter.
Später
überhole ich das Auto vor mir. Es ist ein Mann, natürlich. Aber
kein testosteron-gesteuerter 18-jähriger Führerscheinneuling. Auch
kein Bodybuilder-Macho, sondern ein ziemlich normaler Mann mittleren
Alters mit beginnender Glatze.
Bei
Online-Anbietern gibt es noch mehr Aufkleber dieser Art: „Schnüffel
an meinem Auspuff, Greta“, steht drauf. Oder „Problem gelöst“.
Dazu gehören dann zwei lange geflochtene Zöpfe, die aus der
Kofferraumklappe hängen. Also ist die junge Schwedin das Problem und
nicht der Klimawandel.
Wie
viel Frauenverachtung und Sexismus fahren da eigentlich durch die
Gegend auf unseren Straßen? Hassrede und Enthemmung im Netz haben
längst auch die reale Welt erreicht. Gewalttätige Sprache und
solche Aufkleber, die die Würde und die Rechte von Menschen
verletzen. Die versuchen, Andersdenkende einzuschüchtern.
Die
Amadeu-Antonio-Stiftung sagt: Wird dem nicht widersprochen, sinkt die
Empörung darüber. Abwertende Aussagen werden leider irgendwann
normal. Strafrechtlich ist das oft nur bedingt relevant. Und so
schämen sich Ebay oder Amazon offenbar auch nicht, solchen Mist zu
verkaufen. Ich habe keine Gelegenheit gehabt, mit dem Fahrer zu
sprechen. Aber vielleicht Sie. Gesichtet habe ich ihn zwischen Köln
und Bonn. Und allen Frauen, Müttern, Töchtern und Freundinnen sage
ich: Greift ein. Setzt Euch nicht in so ein Auto, verkauft ihm kein
Benzin, stellt den Mann zur Rede. Eingreifen können gerne auch alle
Männer. Denn so ein Aufkleber ist nicht normal.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/digitale-zivilgesellschaft/was-ist-hate-speech/, abgerufen am 5. März 2020
https://www.emma.de/artikel/fuck-you-greta-der-hass-der-autofahrer-337317, abgerufen am 5. März 2020