Schönheit

Eine Bekannte von mir macht auf Fotos immer Grimassen - sie kann nicht anders. Komisch. Denn: Irgendwie passt ihr sympathisches Ich gar nicht zu diesen Grimassen, die sie da immer macht…

Sie hat das mal in meinem Beisein einem älteren Herrn erzählt.

„Der einzige, der es schafft, schöne Bilder von mir zu machen, ist mein Vater“, hat sie gesagt.

Darauf der ältere Herr: „Weil er dich liebt.“

Ein wunderbar wahrer Satz: In den Augen eines Menschen, der mich liebt, bin ich schön.

Der Satz ist so einfach. Und gleichzeitig ist es so schwer, das anzunehmen. Wie oft habe ich mich früher mit Freundinnen darüber unterhalten, wer wie gut aussieht, was wir tun könnten, um diesem oder jenem Schönheitsideal gerecht zu werden. Wir haben damals natürlich nicht darüber gesprochen, was Schönheit für uns bedeutet – Schön sein, das hatte in meiner Jugend mit Erwartungen zu tun. Erwartungen daran, möglichst so zu sein, wie es anderen gefallen könnte.

Wenn ich heute über Schönheit nachdenke, muss ich schmunzeln. Die Menschen, die ich für mich als besonders „schön“ bezeichne, sind alle keine Models, im Gegenteil sogar, sie haben Speckrollen, Pickel oder schiefe Zähne. Ihre Schönheit wirkt auf mich wie ein Funkeln, ein Leuchten, das sie umgibt.

Der ältere Herr macht mir mit seiner trockenen Antwort klar: Schönheit hat mit Liebe zu tun. Und das empfinde ich als etwas tief Religiöses. Denn es gibt eine Vielzahl von Gesichtern und Körpern, die unter Maßstäben von Mainstream und Normalität vielleicht nicht schön sind. Trotzdem gibt es sie in der Schöpfung, trotzdem sagt Gott jedem von ihnen zu: „Du bist schön.“

Aus einem zutiefst einfachen Grund: „Weil ich dich liebe.“