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Kirche in WDR 2 | 10.05.2021 | 05:55 Uhr
#liebegewinnt
Heute ist wieder Montag, und weil heute Montag ist ist das Wochenende rum. Tja. Und als ich ein Kind war und montags die Schule wieder angefangen hat, da hat meine Mutter manchmal ihren Finger in ein kleines Weihwasserbecken getaucht und mir ganz still ein Kreuz auf die Stirn gemacht. Manchmal fand ich das peinlich und war erleichtert, dass außer uns beiden das dann keiner gesehen hat. Viel später habe ich kapiert, was das sollte. Meine Mutter hat mich gesegnet. Und der Segen sollte ein stummes Band darstellen. Zwischen ihr und ihrem kleinen Jungen. Aber auch zwischen mir und Gott. Dass alles gut bleiben möge, auch wenn wir uns jetzt aus den Augen verlieren.
Segnen heißt ja auf Lateinisch „Benedicere“. Also: Etwas Gutes sagen. Wenn ein Mensch einen anderen segnet, dann sagt er ohne viele Worte: Du bist gut, so wie du bist. Du musst dich nicht verstellen. Optimieren. Du musst deine Nase nicht operieren lassen. Auch nicht dein Bauchfett absaugen. Du musst nicht gut in Mathe sein und auch nicht Jura studiert haben. Du musst noch nicht mal besonders fromm sein. Manchmal ist das ja schwer zu glauben, finde ich. Denn ich hab ständig was an mir auszusetzen. Und weil das so schwer zu glauben ist ist es gut, wenn hin und wieder einer kommt und mir das sagt: Ich segne dich. Ich finde dich super. Es ist gut, dass es dich gibt. Ohne dich wäre die Welt ein ärmerer Ort.
Heute, am 10. Mai, gibt es in ganz Deutschland besondere Segnungsgottesdienste. An vielen Orten werden Menschen gesegnet, die sich lieben. Ganz besonders homosexuelle Menschen. Die haben es in der katholischen Kirche ja besonders schwer. Ich habe neulich noch lange mit einem Vater telefoniert, der jetzt aus der Kirche ausgetreten ist. Sein Sohn ist schwul, und wenn er ihn mit seinem Freund zusammen sieht, dann ist er total glücklich, dass die sich haben. Und kapiert nicht, dass ihre Beziehung jedenfalls für die katholische Kirche kein Segen sein soll. Wenn zwei Menschen zeigen, dass sie in guten und in bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit zusammenhalten – was gibt’s daran zu kritisieren? Hat er gefragt. Nix. Habe ich geantwortet.
„Wir werden frei sein, wenn wir uns lieben“ heißt es in einem Lied von Brings. Genau: Da wo Menschen sich versprechen, dass sie zusammenhalten, da werden sie frei: Von der Sorge vor Einsamkeit, von der Angst, dass sie niemand will und davor, dass sie wenns ihnen dreckig geht allein sind. Wo zwei Menschen sich lieben und zueinander halten, da wird die Welt ein Stück stabiler. Und dabei spielt ihr Geschlecht nun wirklich keine Rolle. Benedicere! Es ist gut! Ihr seid gut!
Wo Liebe ist gewinnen alle. Es wird Zeit, mal offen zu sagen, was das für ein Segen ist. Und genau das passiert heute. Auf www.liebegewinnt.de gibt’s eine lange Liste mit Gottesdiensten. In Aachen, in Bochum, in Düren oder in Köln. Vielleicht haben Sie Lust heute hinzugehen. Und sich mitzufreuen. Dass sie Liebe gewinnt. Egal wo. Egal wie. Nicht nur an einem Montagmorgen.