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Hörmal | 09.05.2021 | 07:45 Uhr

Schade oder Schande?

„Schade!“ ist eines der ersten Worte, die meine knapp zweijährige Enkelin gesprochen hat. „Schade!“, dass wir dich so selten besuchen können.


„Schade!“ Ich habe mich so gefreut, in dieser Woche unsere Kunstausstellung zu eröffnen. Fünf international renommierte Künstler*innen in fünf Kirchen im Rheinland. Ruach, so der Titel, übersetzt aus dem Hebräischen mit Atem, Wind und Geist. Geist: Inspiration und Spiritualität, Kooperation von Kunst und Kirche, in der Zeit vor Pfingsten.


„Schade!“ Nun hat uns die Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Seit über einem Jahr stört das Virus massiv unsere Planungen – und lässt uns regelrecht verstört zurück.


Das wird in der Bibel auch von Gottes Geist erzählt.[1] Voller Sorgen suchen Menschen Trost im Gottesdienst. Wollen sich der Nähe Gottes vergewissern. Da tritt ein Prophet auf, vom Geist getrieben. Und stört massiv: „Lasst mich in Ruhe mit dem Lärm eurer Lieder! Spricht Gott. Ich verabscheue eure Gottesdienste.“ Verstört horchen sie auf: Was willst du denn? „Ihr trampelt auf Hilflosen herum, die schon im Staub am Boden liegen und räumt Bedürftige aus dem Weg.“ Da macht Gott nicht länger mit. „Der will, dass das Recht wie Wasser strömt und Gerechtigkeit wie in Bach, der nie versiegt.“


Störend und verstörend wirkt das Virus – wirkt auch Gottes Geist. Hat Gott am Ende mit dem Virus zu tun?

Nein. Das Virus verstört uns, weil es Lebendigkeit unterdrückt, Leben gefährdet – ja sogar tötet.


Der Geist Gottes dagegen macht lebendig. Am Anfang haucht Gott Adam, dem Menschen, seinen Geist ein und macht ihn zu einem lebendigen Wesen. Und auch da, wo vom Geist Getriebene in der Bibel einen verstörenden Auftritt hinlegen, haben sie doch das Leben im Sinn: Gott will nicht, dass die einen viel und immer mehr – und die anderen kaum das Nötigste haben. Gott will, dass alle Menschen genug zum Leben haben.

Gerade in Zeiten einer Pandemie. Wir sind alle vom Virus betroffen. Aber nicht alle in gleicher Weise. Gottes Geist nimmt uns in die Verantwortung, die wir bei aller Betroffenheit doch gut weggekommen sind: Behaltet gerade die im Blick, die unter dem Virus besonders leiden. Die als erste ihre Minijobs verloren haben. Für die kein Kurzarbeitergeld greift. Die nichts haben, um zu überbrücken. Deren Kinder in der digitalen Schule überhaupt nicht mehr mithalten können.


Dass die, die ohnehin am Rande unserer Gesellschaft leben, durch Corona noch mehr ins Hintertreffen geraten: Das wäre nicht nur „schade“. Vielmehr eine Schande.

Gottes Geist ermutigt und bewegt uns. Dass wir uns entschieden dafür einsetzen: Menschen, die besonders betroffen sind, sollen besonders unterstützt werden.




Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius




[1] Amos 2,6 und Amos 5,21ff

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