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Kirche in WDR 2 | 08.05.2021 | 05:55 Uhr
Befreit! Der 8. Mai ist immer noch kein Feiertag
Wissen Sie was für ein Tag heute ist? Ja klar, es ist Samstag. Samstag, der 8. Mai. Der Tag der bedingungslosen Kapitulation. Zweiter Weltkrieg, Sie erinnern sich. So habe ich es in der Schule gelernt und auch später an der Uni.
Ich habe meinen Vater gefragt, wie das damals eigentlich so gewesen ist. Am 8. Mai am Tag der Befreiung. Er hat das alles miterlebt. Mit 16 hat man ihn zum so genannten Luftwaffenhelfer gemacht. Von der Schule direkt an die Heimatfront. Weihnachten 1944 kam dann die Einberufung in die Wehrmacht. 17 Jahre ist er gewesen, praktisch ein Kindersoldat. Anfang Mai `45 ist er vor allem froh, mit heilen Knochen davon gekommen zu sein, auch wenn er als Kriegsgefangener in einem Erdloch schläft und wenig zu essen bekommt. Am 8. Mai hat er in seinem Kalender notiert: Super Wetter, leichter Sonnenbrand, „bad“, also schlechte, Verpflegung. Mehr nicht.
Es ist der Tag der Befreiung – der erste, der den Tag so nennt – Befreiung statt Kapitulation - ist Richard von Weizsäcker. Der Bundespräsident. Er hat hierzulande ein Umdenken eingeleitet. Er nennt den Tag das, was er auch für den Rest Europas gewesen ist: ein Tag der Befreiung. Es ist ein denkwürdiger Auftritt und sicher seine wichtigste Rede als Bundespräsident.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung vom Nationalsozialismus ist bei uns immer noch kein Feiertag. Anders als in Frankreich und etlichen anderen europäischen Ländern.
Dabei ist der 8. Mai wahrscheinlich der bedeutendste Tag der neueren deutschen Geschichte. Er muss ein Feiertag werden, fordert Esther Bejarano, die Vorsitzende des Auschwitz-Komitees in Deutschland. Und das schon seit Jahren.
Über das Ende des Krieges und der furchtbaren NS-Herrschaft können uns Zeitzeugen und -zeuginnen bald nichts mehr erzählen.
Doch die Botschaft von Esther Bejarano ist mehr als eindrücklich:
„Ihr seid nicht Schuld“, sagt sie, „aber Ihr werdet schuldig, wenn ihr nicht dafür sorgt, dass solche Verbrechen nie wieder geschehen“.
Der 8. Mai kann so ein Tag werden, an dem wir uns fragen, wo wir heute stehen als Gesellschaft. An wem wir schuldig werden, wenn wir nicht aufstehen und dafür kämpfen, dass unser Land das bleibt, was es ist. Ein befreites Land, in dem Menschen in Freiheit leben können. Unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrem Geschlecht, ihrer Nationalität...
https://www.auschwitz-komitee.de/der-8-mai-muss-ein-feiertag-werden/# (zuletzt abgerufen am 29. März 2021)
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius