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Kirche in WDR 2 | 12.06.2021 | 05:55 Uhr
Das Runde im Eckigen
Es gibt ja immer was zu feiern! Jetzt zum Beispiel den Start der Europameisterschaft.
Aber: Ich
muss
zugeben: Früher habe ich
mehr gefeiert, wenn die
Fußball- WM oder EM vor der Tür stand. Das
waren tolle Events mit Beamer in unserem Wohnzimmer und ich kann noch genau
sagen, wer bei mir auf der Couch geweint hat, als wir bei der WM 2006 gegen
Italien rausgeflogen sind, wie ich bei der EM 1996 auf dem Friedensplatz in
Dortmund das Golden Goal von Oliver Bierhoff gefeiert habe oder wie ich mich
über die gelungene Revanche gegen Italien bei der EM 2016 gefreut haben. Der
verwandelte Elfmeter von Jonas Hector war einer der schönsten Fußballerlebnisse
bei einem Länderspiel für mich.
Und heute? Heute hätte ich die EM fast verpasst. Noch vor ein paar Tagen war es mir gar nicht klar, dass die EM bereits in dieser Woche starten sollte. Ich musste googeln gegen welche Nationen wir in der Vorrunde spielen und wer eigentlich genau im Kader steht. Früher hätte ich das alles bis hin zum zweiten Vornamen des dritten Torwarts auswendig gewusst. Ich hätte schon geplant, was für Essen es geben würde und wen ich alles zu den Spielen einlade.
Aber
in den letzten Monaten hab ich Fußballromantiker
die Lust am Fußball verloren . Das hängt
sicher mit Corona zusammen, aber auch mit dem Bild, was der DFB in der
Öffentlichkeit abgibt. Der Rücktritt von DFB Präsident Keller, die Langeweile
in der Bundesliga und die grassierende Verseuchung des Fußballs mit noch mehr
Investoren sind viele Puzzleteile, die mir meine Leidenschaft verhagelt haben.
Dabei wäre es für den DFB enorm einfach mein Herz und ich glaube auch das Herz
vieler anderer Fußballromantiker zurückzugewinnen. Und zwar 1) Seid solidarisch
mit den anderen Sportarten. Fußball verdrängt Handball, Leichtathletik,
Eishockey immer weiter an den Rand. Die Sportwelt muss aber vielfältig bleiben.
2) Sagt hier und heute eure Teilnahme bei der WM in Katar ab oder bindet eure
Teilnahme wenigstens an knallharte Bedingungen. Ich weiß eine WM ist nur alle
vier Jahre und für die jungen Nationalspieler wäre das ein harter Schlag, aber
in Katar werden systematisch Menschenrechte verletzt. Das wiegt schwerer als
die Karrieren von Fußballprofis. 3) Macht eine Frau zur Nachfolgerin vom
DFB-Präsidenten Keller. Wenn schon eine Frau als Nationaltrainerin der Herren
nicht möglich war, dann sollte doch wenigstens an der Spitze des Verbandes eine
Frau stehen. Schließlich sind sehr viele Frauen unter dem Dach des DFB aktiv.
Als Katholik kann ich ein Lied davon singen, wie toxisch eine rein männliche
Führungsebene sein kann.
Kurz gesagt. Lebt sportliche Fairness vor. Besonders wenn es schwierig oder unangenehm ist. Nur so bleibt ihr glaubwürdig. Sport lebt ähnlich wie die Religion von Glaubwürdigkeit.
Es ist noch nichts verloren. Es gibt immer was zu feiern. Morgen ist Sonntag. Heute ist Wochenende und das Runde muss ins Eckige.