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Kirche in WDR 2 | 30.06.2021 | 05:55 Uhr
Ghost Bikes
Unterwegs. Im Auto. Nach Köln. Eigentlich eine schöne Überlandstrecke – mit viel Grün, mit Kühen und Kurven. Eigentlich.
Für mich ist das Bergische Land im Sommer aber die Hölle auf Erden. Ganze Rudel von Rennrädern tauchen plötzlich in der Kurve vor mir auf. Wenig später Hinter mir Motorradfahrer, die drängeln. Kaum bin ich sie los, kommt ein Kind von rechts aus einem Feldweg auf die Straße geradelt –oder so ein "Querfeldein-Mountainbiker".
Und ich?
Ich hab‘ so richtig Schiss.
Zu meiner Beifahrerin sage ich: „Sorry, Kannst Du bitte mit nach rechts schauen.“
Sie nickt zustimmend. Guckt mit nach rechts und sagt: „Ah, aber cool, dass da jetzt so ein Reminder steht.“ „So ein was?“, frag‘ ich. „Da steht ein weißes Fahrrad auf der Ecke. Vermutlich, damit man einen Schreck kriegt, bremst und sich an den Schulterblick erinnert.“ „Nee, das ist ein Ghost Bike!“, sag‘ ich. „Da hätte besser mal einer sich erinnert und gebremst …“
Ghost Bike – Geisterrad – davon hat meine Beifahrerin noch nie gehört.
Ghost Bikes werden in Erinnerung an Verkehrstote aufgestellt. Die Fahrräder sind weiß angestrichen. Daher der Name. Die Idee kommt ursprünglich aus den USA. In Deutschland kümmert sich der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club e.V. – der ADFC – darum, diese „Reminder“ – wie meine Freundin sie nennt – aufzustellen.
Laut statistischem Bundesamt sind 2020 426 Radfahrer:innen bei Unfällen im Straßenverkehr getötet worden. An diese Toten muss erinnert werden. Und das braucht „Reminder“ – Ghost Bikes.
Kreuze gehören längst zum Straßenbild dazu. Ghost Bikes eher nicht. Aber auch sie werden mehr. Prägen immer mehr auch das städtische Straßenbild. Ist einerseits traurig. Andererseits auch irgendwie gut so. Denn sie erinnern mich. , Daran dass sich was ändern muss, politisch – ich sach‘ mal Verkehrswende. Aber auch bei mir persönlich. Mir muss was nahe gehen, damit ich mich damit auseinandersetze.
Reminder gibt es schon in der
Bibel. Jakob hat mitten in der Wüste einen Reminder aufgestellt – einen Haufen
Steine. Er war von zu Hause, vor seinem Bruder abgehauen, weil er richtig
Scheiße gebaut hatte.
Und in der Wüste stellt er fest, dass es einen gibt, vor dem er nie weglaufen
kann. Und das ist Gott. Deshalb stellt er ein paar Steine auf. Er will sich und
andere daran erinnern, dass Gott immer da ist. Und dass der selbst aus dem
Schlechtesten Gutes entstehen lässt.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius