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Hörmal | 24.10.2021 | 07:45 Uhr
Bibliotheken: Portale in eine andere Zukunft
Ich weiß: Bildbeschreibungen sind immer schlecht im Radio. Aber in meinem Büro – das zugegeben hin und wieder ausschaut, als hätte eine Bombe eingeschlagen, da hängt ein Schwarz-Weiß-Foto, das habe ich mir vor 14 Jahren in Brüssel gekauft. Damals brach grad die Finanzkrise aus – die Welt war in Aufruhr und dieses Bild erinnerte mich damals daran: Ruhe bewahren.
Was zu sehen ist? Drei Männer in einer Bibliothek…naja, sagen wir: in dem, was von jener Bibliothek übrig war, nach einem Bombenangriff im zweiten Weltkrieg. Das Dach ist komplett eingefallen, die zerborstenen Balken recken sich in den offenen Himmel. Und die drei Männer? Stehen in dieser Trümmerlandschaft, mit langen Mänteln, Hüten und suchen sich in aller Seelenruhe Bücher aus. Die Bücherregale sind nämlich nicht kaputt gegangen.
Warum ich das erzähle? Heute ist der Tag der Bibliotheken. Und das Bild, das ich Ihnen ja nicht zeigen konnte, aber das mit den drei Männern in der zerbombten Bibliothek – das ist für mich ein echter Trost. „Keep calm – read a book“. „Bewahre Ruhe – lies ein Buch!“ Ich möchte kein Leben haben ohne Bücher. Denn was die Männer auf dem Foto ausdrücken, das besagt es doch: Es gibt noch ein Leben jenseits dessen, was gerade passiert und angesagt ist. Ein Buch ist eben nicht nur eine Ansammlung von Papier mit Druckerschwärze, ein Buch ist immer eine kleine Welt. Ein mögliches Leben.
Wenn Sie mal die Biografien lesen von Menschen, die sich aus ganz einfachen Verhältnissen hochgearbeitet haben – ob in der Wissenschaft, in der Politik, in Kultur – oder Wirtschaft: Fast immer werden Sie das Wort „Stadtbibliothek“ finden oder „Schul-Bücherei“. Denn: Auch wenn die Mutter Trinkerin ist, oder der Vater ein Schläger – jedes Kind hat hierzulande die Möglichkeit zu wissen, dass auch ein anderes Leben möglich ist – und das zumeist vermittelt durch Bücher. Klar: Heute geht das auch über youtube. Aber ich würde sagen: Mit das größte und wichtigste Geschenk, das Eltern ihren Kindern machen können ist: Lesen beibringen und den Weg zur örtlichen Bibliothek zeigen.
Denn hier findet sich meist alles: Hier wartet Harry Potter ebenso wie Pipi Langstrumpf – oder der Lederstrumpf. Hier fand ich meine heißgeliebten „Was ist was“-Bücher und – ja – auch die von meiner Mutter ungeliebten Lucky Luke-Comics. Bibliotheken sind Portale in eine andere Welt und damit in eine andere mögliche Zukunft.
12.000 gibt es hierzulande[1]. Und wissen Sie was? Jede dritte dieser Bibliotheken wird von einer katholischen oder evangelischen Kirchengemeinde betrieben. Warum die Kirchen das machen? ….fast immer gemacht haben – denken Sie an die Klosterbibliotheken? Weil die Christen um die Kraft eines Buches wissen. Dass das Lesen ein ganzes Leben verändern kann – beschreibt schon im 4. Jahrhundert beim der Heilige Augustinus. „Nimm und lies“ hört er und greift nach der Bibel. Von da an ist er ein anderer Mensch. Dessen Geschichte finden Sie übrigens zeitgenössisch übersetzt in „Via brevis – das Leben ist kurz“, von Jostein Gaarder … die älteren werden sich noch erinnern: Der Autor von Sophies Welt … Ja Mensch – ich könnte jetzt noch ewig weiter schwärmen von Büchern und verweisen auf andere … .
Aber heute ist ja Tag der Bibliotheken. Und da muss ich einfach mal danke sagen allen, die sich vor allem ehrenamtlich in der Bibliotheksarbeit einbringen. Die Bücher auswählen, katalogisieren – damit wir sie ausleihen können. Die da sind und ansprechbar – und somit diese Portale der möglichen Zukunft offen lassen; die Bibliotheken unseres Landes, ohne die zumindest mein Leben ärmer und anders verlaufen wäre.
[1] https://bibliotheksportal.de/informationen/bibliothekslandschaft/oeffentliche-bibliotheken/
