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Kirche in WDR 2 | 02.12.2021 | 05:55 Uhr
Dekozauber
Ich gehöre zu den Menschen, bei denen im Dezember die Wohnungsdekoration eskaliert. Jedes Jahr nehme ich mir vor, nix mehr zu kaufen; bisher hat das nie geklappt. Irgendwas war immer zu schön, zu praktisch oder zu günstig. Und: Es ist ein alter psychologischer Trick: Wenn ich mich fühle, als wenn ich nix kann und bin, ziehe ich mir bewusst was Schönes an. Wenn es dunkel ist in meiner Seele, dann mache ich warmes Licht an. Dann dekoriere ich meine Zimmer mit dem, was ich geschenkt bekommen und über die Jahre gesammelt habe.
Ich will fast zustimmen, wenn andere sagen, das ist doch nur oberflächlich, das ist doch nur Deko, das ändert doch nicht wirklich irgendwas am eigentlichen Problem. Aber so ganz stimmt das auch wieder nicht. Das Äußere spiegelt sich ins Innere. Zumindest bei mir. Das, was ich sehe, erinnert mich an die Buntheit und Schönheit des Lebens und im besten Fall auch an das, was mir Hoffnung gibt. Das, was ich sehe, verändert meine Stimmung; manchmal auch meine Haltung zu mir und der Welt. Wenn es um mich herum schön ist, ob Natur oder Deko, dann schenkt mir das Freude, und die gibt mir Kraft und Ruhe. Und deshalb ist es auch dieses Jahr wieder so: Ab dem 1. Advent hält mich nichts mehr zurück. Ich stelle, hänge und dekoriere gleich in der ersten Woche alles. Der Weihnachtsbaum steht, die Sterne leuchten und überall hängen rote Kugeln zwischen grünen Zweigen. Selbst im Gästebad weihnachtet es schon in Gold und Glitzer. Jesus liegt zwar noch nicht in der Krippe, aber Maria und Josepf, die Engel, Hirten und königlichen Magier aus dem Osten sind schon angekommen am Stall. Mag sein, dass das nicht nur ungeduldig wirkt, sondern auch so, als hätte ich von adventlichen Traditionen und den biblischen Erzählungen keine Ahnung. Aber die Sehnsucht meiner Seele nach Funkeln, nach Harmonie, Ankommen und Hoffnung hat Vorrang und bekommt die Zeit, die sie will und braucht. Im Advent geht es für mich darum, in Stimmung zu kommen. Trotz all der Dunkelheit und Unterdrückung damals in Israel und heute sich zu öffnen für all die kleinen und großen Lichtblicke. Trotz all der Hoffnungslosigkeit und Lieblosigkeit in dieser Welt, sich zu öffnen und ein Licht zu sein für andere. Es klingt vielleicht etwas verrückt, aber meine leicht übertriebene Weihnachtsdeko hilft mir, mich dafür zu öffnen, dass Gott zu uns kommt.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius