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Kirche in WDR 2 | 03.08.2022 | 05:55 Uhr
Der Ernst des Lebens
Guten Morgen, die Schule
beginnt bald Zum allerersten Mal für meine Sechsjährige.
Als Pflegemutter von zwei Kindergartenkinder
war das sehr bequem mit der Zeiteinteilung am Morgen. Wir hatten sozusagen
Gleitzeit. Bis 9 Uhr konnten die Kinder in den Kindergarten gebracht werden. Ab
nächster Woche wird der Schulbus wohl ohne uns fahren, wenn wir nicht bis 7.30
Uhr an der Bushaltestelle stehen. Das bedeutet Stress mit zwei Kindern, die
morgens alle Zeit der Welt haben und bei denen jedes Händewaschen zu einem
Spiel wird. Auch das Sockenanziehen oder Haare bürsten dauert einfach um ein
Vielfaches länger als bei mir. Denn dabei wird gesungen, gefühlt, wie sich das
Haar anfühlt oder mit dem Socken herumgewedelt. Und wenn gesprochen wird (und
das wird recht viel) kann man sich nicht weiter fertig machen. Und da stehe ich
als Erwachsene mit meiner Zeiteinteilung, meinem inneren Druck, alles schnell
und effizient zu machen. So bin ich gestrickt. Und leider erwarte ich das auch
allzu oft von den beiden Kleinen. Was für ein Blödsinn. Eigentlich sollte ich
von ihnen lernen, mir Zeit für die Dinge zu lassen. Eine Tätigkeit nach der
anderen in voller Konzentration und mit all meinen Sinnen machen. Das würde am
Morgen bedeuten, dass wir alle noch früher aufstehen müssten um diese Zeit zu
haben. Was für ein Tag, wenn er schon mit Stress beginnt. Ich mag es lieber
stressfrei. Lasse mich aber immer wieder dazu verleiten.
Ob ich das noch jemals lernen werde? Von den Kindern zum Beispiel? Jesus hat die Kinder gerne mal als Beispiel dazu genommen, die Welt mit neuen Augen zu betrachten. Das Wichtigste für ihn war wohl das Vertrauen der Kinder, was diese in ihre Eltern haben. Als Bild dafür, wie wir uns vertrauensvoll an Gott wenden dürfen. Der unser Leben begleitet. Mir fällt dieses Bild am Morgen ein, wenn die Vierjährige nochmal eben mit dem Spielpferd eine Runde reitet und dabei sich wie eine Prinzessin fühlt. Ich konnte ihr noch kurz vorher ausreden, sich das Prinzessinnenkleid anzuziehen, weil es ja für mich wieder bedeutet hätte, dass sie sich NOCHMAL anziehen müsste. Als Erwachsene denke ich eben anders. Die Kinder werden sich verändern und meiner Erwachsenenwelt anpassen.
Schade eigentlich. Und mit dem baldigen Schulbeginn beginnt dann vielleicht wirklich der „Ernst des Lebens“, wie man das früher den Erstklässlern gerne mit auf den Weg gab. Denn mit dieser Hektik und der Effizienz kann der Spaß schonmal verloren gehen. Damit auch die Leichtigkeit und Sorglosigkeit.
Allen Kindern, die bald den ersten Schultag haben, wünsche ich, dass sie davor noch ein wenig bewahrt werden. Und allen Eltern, dass sie es schaffen, die Verspieltheit so lange wie möglich zu erhalten, den Ernst des Lebens als einen guten Freund „Ernst“ zu begrüßen, der fröhlich mit der Schule beginnt. Und uns als ernste Erwachsene wünsche ich von Herzen mehr Spaß an den alltäglichen Dingen.
Ihre Sr. Jordana Schmidt aus Krefeld