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Hörmal | 16.04.2023 | 07:45 Uhr
Herrin im eigenen Haus sein
Aber: für unsere muslimischen Brüder und Schwestern sind es noch vier Tage, dann erst endet der Ramadan. Und mir steht das in diesem Jahr insofern besonders vor Augen, weil ich vor einem Monat eine Reha gemacht habe. Und einer meiner Mitpatienten war Muslim. Metin und ich waren die einzigen auf der Station, die ihre Religion auch rituell praktiziert hatten: Er ging freitags zur Moschee, ich sonntags zur Kirche.
Und wir haben oft über unseren Glauben gesprochen. Und ein Tag nach seiner fünfwöchigen Reha, da begann für Metin das Fasten. Und Metin hatte sich sogar darauf gefreut. „Glaub mir Klaus. Das tut mir so gut. Das hilft mir jedes Jahr, meinen Willen noch mal fest zu machen“. Und ich kann mir nur denken und ich habe größten Respekt davor, was es heißt, von Sonnenaufgang bis -untergang auf Nahrung zu verzichten, ja, sogar aufs Trinken. Und so denke ich heute an Metin und wünsche ihm, dass er bis jetzt seinem Vorsatz treu geblieben ist.
Ich habe durch unsere Gespräche noch mal viel über den Islam erfahren. Und umgekehrt hat er mich zu meinem Glauben befragt. Einmal, abends in der Sitzecke, da kam er: „Klaus, jetzt mal ehrlich: Habt Ihr Katholiken noch immer Exorzisten? Und was machen die genau?“ Puh…auf diese Frage war ich jetzt nicht so gefasst. Trinität, Jungfrauengeburt, das kann ich irgendwie halbwegs gut erklären mit meinem Studium im Rücken, aber Exorzismus?… Da musste ich noch mal etwas kramen, um das ganze Thema zugänglich zu machen – auch für mich.
Klar: Dämonen haben bei mir vordergründig eher was mit Gruselkabinett zu tun als mit meiner Glaubenswirklichkeit. Das würde ich lieber abtun wollen in die Splatter-Ecke meiner Religion. Aber: Gerade in der Reha habe ich darüber noch mal intensiver nachgedacht.
Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde: Ich hatte nie in meinem Leben eine Ahnung, was das sein könnte, wenn die Bibel von Dämonen schreibt. Gerade bei psychischen Erkrankungen fühlen sich Menschen Kräften ausgesetzt, die sie übermannen. Das könnte man dämonisch nennen – wenn man da nicht immer diese Gruselfilm-Bilder im Kopf hätte. Egal: Was die Bibel in dem Zusammenhang berichtet, ist das Folgende: Jesus nennt die Dämonen beim Namen. Und damit verlieren sie ihre Macht.
Und das kenne ich aus meinem Leben. Als für mich klar war: Dass dies und das bei mir anders läuft als bei anderen und es als ADHS diagnostiziert wurde, da hatte sich bei mir etwas gelöst. Das war ein großer, wichtiger Schritt.
Klar: Das war keine Dämonenaustreibung. Aber ich habe seitdem noch mal mehr Verständnis bekommen für diese biblischen Geschichten mit den Dämonen. Und auch für Jesus: Der mehr Therapeut war als Exorzist, wenn er Dämonen ausgetrieben hatte. – Und bei einer Depression z.B., oder auch bei meiner ADHS geht es auch gar nicht so sehr ums Austreiben des „Dämonen“, sondern darum, ihn zu umarmen, zu streicheln, zu zähmen. Wieder Herr im eigenen Haus zu sein.
Und wenn ich Metin richtig verstehe, geht es genau darum auch im Ramadan: durch die Beherrschung des Willens wieder „Herr im eigenen Haus“ zu sein. Oder Herrin. Und dafür meinen großen Respekt an alle muslimischen Männer und Frauen, die jetzt schon wieder am Fasten sind. Noch vier Tage. Und dafür noch einen gesegneten Ramadan!
