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katholisch

Hörmal | 11.06.2023 | 07:45 Uhr

Kultkleider in Aachen

Da habe ich wirklich gestaunt: Stattliche 260.000 Dollar hat John Travoltas Anzug aus dem Film „Saturday Night Fever“ eingespielt bei einer Versteigerung.[1] Der weiße Dreiteiler aus Polyester kam vor knapp zwei Monaten in Kalifornien unter den Hammer. Gekostet hat der damals keine 200 Dollar, als er für die Dreharbeiten vor über 45 Jahren gekauft wurde. Der Anzug war damals bewusst so gewählt, dass er zu der Hauptrolle passte: Tony Manero, ein einfacher junger Angestellter, der in einem Gemischtwarenladen arbeitet, tanzt sich am Wochenende durch die New Yorker Diskotheken. Der Kultfilm war stilbildend – nicht nur in Bezug auf die Musik, sondern auch auf die Kleidung. Ich sage nur Bee Gees und Disco-Welle Ende der 70er Jahre.

Übrigens tanzte John Travolta einmal mit Lady Diana bei einem Staatsbankett im Weißen Haus Mitte der 80er Jahre. Später kam dann ihr schwarzes Samtkleid, das sie dabei trug, auch unter den Hammer und erbrachte mehr als eine Viertel Millionen Pfund.[2]

Es müssen aber nicht nur Hochglanzkleider sein, die Höchstpreise bei Versteigerungen erzielen. Auf 334.000 Dollar hatte es eine olivgrüne Strickjacke von Kurt Cobain gebracht, dem Frontmusiker der Rockband Nirvana, obwohl die ungewaschen war und ein Brandloch hatte, wie ich gelesen habe.[3] Vielleicht kam der hohe Preis aber dadurch zustande, dass Cobain diese Strickjacke bei einem seiner letzten Auftritte getragen hat, bevor er sich einige Zeit später das Leben nahm. Das war natürlich sehr tragisch und hat die Musikszene erschüttert.

Eines wird mir allerdings an all diesen Geschichten deutlich: Kleider können einen großen Kultstatus erlangen. Dabei spielt weniger das Material und der Erhaltungszustand eine Rolle, als vielmehr der Mensch, der es getragen hat. Der wird ja eigentlich verehrt. Und der Besitz eines Kleidungsstücks von so einem Star kann ihn mir vielleicht näher bringen. Genau dafür sind manche Menschen wiederum bereit, viel Geld auf den Tisch zu legen – richtig viel Geld; sonst kann ich mir die Versteigerungs-Preise nicht erklären.

Um Kultkleider und deren Verehrung geht es auch in diesen Tagen in Aachen. Da wird nämlich seit dem letzten Freitag unter anderem ein Kleid von der Gottesmutter Maria gezeigt, aber auch die Windel Jesu.

Ob die leicht bräunliche Windel ebenso ein Echtheitszertifikat verdient wie der Pullover von Kurt Kobein samt Brandloch – daran lässt sich trefflich zweifeln. Aber bei den sogenannten „Heiltümern von Aachen“ geht es um den Glauben. Die Kleidungsstücke werden seit über 670 Jahren in Aachen verehrt und alle sieben Jahre öffentlich gezeigt. Karl der Große hat sie bereits nach Aachen gebracht. Er selbst hatte sie wiederum als Geschenke erhalten aus Jerusalem. Für die gläubigen Christen des Mittelalters waren die Kleider unbezahlbare Schätze, denn sie führten ihnen das Leben Jesu und Mariens vor Augen und brachten sie ihnen näher.

Ich muss zugeben, solche kultische Kleiderverehrung liegt mir persönlich nicht, aber einen Aspekt daran finde ich doch bemerkenswert: Es geht in Aachen nicht um Hochglanzkleider, sondern um Alltagskleider bis hin zu einer Windel. Und das weckt in mir die Vorstellung von Maria und Jesus als Menschen wie Sie und ich, nahbar und verletzlich. Und diese Einsicht in meinen christlichen Glauben ist für mich unbezahlbar.

[1] Vgl.: https://www.faz.net/aktuell/stil/trends-nischen/john-travolta-anzug-aus-saturday-night-fever-in-den-usa-versteigert-18844602.html.

[2] Vgl.: https://bellevue.nzz.ch/mode-beauty/ikonische-kleidungsstuecke-die-versteigert-wurden-ld.1527932.

[3] Vgl. ebd.